Das Original der kirgisischen Verfassung ist verloren gegangen. Dies wurde bei einer Parlamentsdebatte am 19. Oktober deutlich – eine Neuigkeit, die mitten in die kontrovers geführte Debatte um eine Reform der nun physisch vermissten Verfassung hereinplatzt.
Überraschung im Jogorku Kenesch, dem kirgisischen Parlament: die Sitzung am Mittwoch dem 19. September offenbarte, dass der Verbleib der originalen kirgisischen Verfassungsurkunde unbekannt ist. Die teils komödienhaft anmutende Situation wurde deutlich, als die Justizministerin des Landes, Jyldyz Mambetaliewa, verkündete, das Dokument wäre bei der Präsidialverwaltung gelagert. Der Repräsentant des Präsidenten im Parlament, Moldakun Abdyldajew, antwortete, dass aber niemand wisse, wo das Dokument sei. Nach einer kurzen, durch die Präsidialverwaltung geführten, Untersuchung wurde deutlich: Das Dokument ist nicht zu finden.
Farid Niyazow, Chef der Präsidialverwaltung, erklärte später, dass es keine nach dem Referendum 2010 gedruckte und unterzeichnete Urkunde gebe. Lediglich gebe es zwei Dokumente, die das Verfassungsprojekt vor dem Referendum erwähnen und durch die damalige Präsidentin und der Übergangsregierung nachträglich unterzeichnet wurden. Die Verfassung, welche die Regierung 2010 installierte, wurde in der Regierungszeitung Erkin-Too veröffentlicht – allerdings ohne offizielles Dokument. Laut Farid Nyazow stellt die Inexistenz einer seperaten Verfassungsurkunde kein legales Problem dar, weil die von der Regierung bestätigte Verfassung in diesem offiziellen Medium publiziert wurde.
Die Verfassung ist ohnehin ein heißes Thema für das Parlament
Die oppositionellen Abgeordneten Natalja Nikitenko und Aida Salianowa, forderten, dass eine Kommission eingesetzt würde, um ein offizielles Dokument zu finden. Auf diesen Vorschlag erwiderte Asel Koduanowa, Vorsitzende des Komitees für Verfassungsrecht, dass Salianowa Justizministerin in der Übergangsregierung 2010 gewesen sei und damit verantwortlich, dass es heute weder ein Original noch eine Kopie der Verfassung gebe.
Diese Affäre geschieht inmitten einer Kampagne des kirgisischen Präsidenten Almazbek Atambajew, der eine Verfassungsreform durchsetzen will. Die von Atambajew vorgeschlagenen Änderungen wurden sehr kontrovers aufgenommen. Seine Kritiker sehen in ihnen eine Gefahr für die Verteidigung der Menschenrechte und eine Beschneidung der parlamentarischen Exekutivgewalt in der einzigen zentralasiatischen Demokratie. Die Opposition argumentiert nun, man könne, ohne dass das Original gefunden würde, keine Verfassungsänderung vornehmen.
Die aktuelle kirgisische Verfassung wurde am 27. Juni 2010 angenommen – nach der zweiten Revolution des jungen Staates, welche die Präsidentschaft des damaligen Präsidenten Kurmanbek Bakijew beendete.
Die Redaktion