Ein Interview mit Jost Kobusch, einem 21-jähriger Kletterer aus Deutschland, der den Lenin-Gipfel (7134 m) allein im Winter erklimmen wollte.
Das Video dazu:
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=dVpQIRvRcVI]
Wie lange kletterst du schon?
Ich klettere seit meinem elften Lebensjahr, zuerst in der Kletterhalle, dann bei Familienwanderungen und erst später begann ich, frei zu klettern. Als ich 18 Jahre alt war, bestieg ich den Mount Kenia (5199 m, höchstes Bergmassiv in Kenia) und mit 19 Jahren im Winter den Mont Blanc im Alleingang (4810 m, höchster Berg der Alpen und Europas), wo ich auch selbst die Route absteckte. Während meiner Armeezeit diente ich zudem in der Bergabteilung. So konnte ich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen – meinen Dienst leisten, trainieren und nebenher Geld verdienen.
Warum hast du dich dazu entschieden, nach Kirgisistan zu kommen?
Hier gibt es schöne, hohe Bergen und in der Region ist es wesentlich günstiger zum Klettern. So kann man beispielsweise die Zulassung für eine Pik-Lenin-Expedition für 50 $ bei einer Reiseagentur beantragen, in China kostet eine solche Zulassung etwa 2000 $.
Wie hast du dich auf die Besteigung des für den Pik Lenin vorbereitet?
Ich kam im Oktober nach Kirgisistan. Innerhalb von fünf Tagen organisierte ich mir ein Auto und packte meine Ausrüstung, die insgesamt 85 kg wog. Das Taxi brachte mich bis zum Ausgangspunkt und sollte mich nach 21 Tagen abholen. Für die Kirgisen war meine Idee im Winter alleine den Pik Lenin zu besteigen – kurz gesagt – verrückt.
Auf der Höhe 4200 m baute ich mein erstes Basecamp, an dem auch meine Ausrüstung gelagert werden sollte. Von dort aus schleppte ich das Gepäck zwei Tage lang Richtung Camp 1, das auf etwa 4400 m lag. Als ich nach einem vollen Tag auf der schneebedeckten Strecke erst ein Drittel des Tagessolls erfüllt hatte, stand die Entscheidung fest, nach Camp 1 zurückzukehren und dort die Nacht zu verbringen.
Am nächsten Morgen entschloss ich mich, weiterzugehen, da der Schnee nicht allzu tief erschien. Der weitere Weg auf 5112 m diente vor allem der Höhenanpassung. Danach begann der eigentliche Aufstieg. Nach elf Tagen am Berg startete damit nun die Schluss-Etappe. Von Camp 1 bis zum Camp 2 braucht man im Sommer theoretisch einen Tag, aber bei eben diesen Verhältnissen erkannte ich, dass ich mehrere Tage brauchen würde – man muss ganz vorsichtig gehen und vor jedem Schritt den Weg mit dem Stock abtasten, damit man nicht in einen Spalt fällt.
Am zehnten Abend baute ich mein Zelt auf 4700 m direkt auf einem fünf Meter breiten Vorsprung auf. In der Nacht zog jedoch unerwartet ein Sturm auf und wehte das Zelt zu einer Gletscherspalte zu verschieben. In Unterwäsche und völlig überrascht sprang ich aus dem Zelt heraus und hielt es mit aller Kraft fest, damit es nicht wegfliegt – denn ich dachte, wenn ich das Zelt verliere, verliere ich auch den Großteil meiner Ausrüstung, die sich in ihm befindet.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte, ich bin normalerweise kein religiöser Mensch, aber ich bat in diesen Minuten Gott um Hilfe. Ich weiß nicht, ob es letztlich Gott oder doch ein Zufall war, aber der Wind stoppte für einige Sekunden und ich sprang mit meiner kompletten Ausrüstung vom Zelt in eine tiefe Gletscherspalte, um Schutz zu suchen. Danach hat über mir ein wirklich heftiger Sturm begonnen.
Nach drei Tagen und zwei Nächten sind dann auch noch alle Feuerzeuge kaputt gegangen, und ich hatte nur noch ungefähr einen Liter Trinkwasser. Von Camp 2 (5500m) bis zum Gipfel waren es allerdings zwei Tage. Daher füllte ich die Flaschen mit Schnee, indem ich diesen mit meiner Körpertemperatur geschmolzen hatte.
Der Wetterbericht sagte unglücklicherweise weiterhin Sturm vorher. Ich nahm daher nur die leichten Sachen und versuchte, noch ein Stück voranzukommen. Nach 600 m fing der Sturm von Neuem an. Weiter oben betrug die Windgeschwindigkeit bereits 80 Kilometer in der Stunde, die Temperatur lag bei Minus 29° C – ich fühlte meine Beine nicht mehr und der Körper begann auszukühlen. Auf dem Gipfel des Pik Razdelnaya (6158m) nahm der Sturm noch weiter zu und ich entschied mich, abzusteigen. Manchmal muss man auch zurückgehen können, um anderen davon zu erzählen. Ich war nicht enttäuscht – ich hatte alles versucht, den Gipfel zu erreichen.
Was hast du noch in Kirgisistan gemacht?
Ich bin viel geklettert, war noch auf dem Pik Pyramida (Batken) und versuchte, andere Gipfel zu besteigen, aber im Winter ist es wirklich schwer in Kirgisistan, da zu viel Schnee liegt. Ich habe auch als Volontär für „CBT Kyrgyzstan” (Community Based Tourism) gearbeitet und neue Skirouten angelegt. Dann habe ich als Erster einen Gipfel bestiegen und diesem den Namen meiner Freundin gegeben.
Wie war das denn möglich?
– dem Berg einen Namen zu geben? In Kirgisistan feiert man Weihnachten nicht im Dezember und ich wollte etwas Besonderes machen. Am 24.12. ging ich in die Berge, um rechtzeitig auf dem Gipfel zu sein. Es war nicht leicht, vor allem wegen des Schnees, der Felsen und dem Eis. Mir wurde sogar erzählt, dass man mich zufällig gesehen hätte, als man mit dem Fernglas nach Ziegen suchte und dann eben mich bei der Besteigung entdeckte. Am 24.12. dieses Jahres um 20:12 Uhr war ich schließlich als Erster auf dem 4048 m hohen Gipfel und gab ihm den Namen PIK YOKO. Dann habe ich dort einen Zettel in der Aluminiumbox mit den Koordinaten und Daten gelassen. Nach dem Abstieg vom Berg in der Nacht kam ich am nächsten Morgen erst um 4.30 Uhr zu Hause an. Später habe ich auch die Urkunde vom CBT bekommen, dass ich Erster auf diesem Berg war.
Welche weiteren Pläne hast du?
Ich möchte gerne alle Informationen über Kletterfelsen und Gletscher in Kirgisistan für Kletterbegeisterte sammeln. Außerdem will ich noch weitere Berge in Kirgisistan besteigen – insbesondere liegen mir fünf bestimmte Berge am Herzen, um den Schneeleopard-Orden zu bekommen. Dieser war eine sowjetische Auszeichnung für herausragende Bergsteiger, die alle fünf auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR gelegenen Siebentausender-Gipfel bezwungen hatten: den Pik Ismoil Somoni (7495 m, früher „Pik Kommunismus“) und den Pik Korschenewskaja (7105 m), beide in Tadschikistan sowie den Pik Lenin (7134 m) an der kirgisisch-tadschikischen Grenze, des Weiteren noch Den Dschengisch Tschokusu (7439 m, früher „Pik Pobedy“) an der kirgisisch-chinesischen Grenze und schließlich den Khan Tengri (7010 m hoch) an der kirgisisch-kasachischen Grenze. Wenn ich das schaffe, dann werde ich der jüngste Kletterer mit diesem Orden sein. Ich hatte, ehrlich gesagt, nicht berücksichtigt, dass jetzt so viel Schnee liegt und die Besteigung im Winter unmöglich ist. Neben dem Klettern plane ich für die nächste Zeit, Medizin zu studieren, um dann als Arzt in den Bergen arbeiten zu können. Ich halte es ist für sehr wichtig, dass es unter den Kletterern auch Menschen mit einer medizinischen Ausbildung gibt.
Dann wünschen wir dir eine schöne Zeit in Kirgistan und hoffentlich gefahrlose Abenteuer. Vielen Dank für dieses Gespräch.
Mit Jost sprach Nadezhda Volkova
Autorin für Novastan.org, Bischkek
Redaktion: Christoph Richter
Um mehr über Josts Abenteuer zu erfahren, können Sie sich hier erkundigen.