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Die Organisation „Kyrk-Tschoro“, Speerspitze der antichinesischen Stimmung in Kirgistan

In letzter Zeit häufen sich antichinesische Aktionen und Äußerungen in Kirgistan. Dahinter steht insbesondere die umstrittene Organisation „Kyrk-Tschoro“. Diese kleine aber medial sehr präsente nationalistische Gruppe zeigt damit ihre politische Relevanz.  

Demonstration gegen China Bischkek
Etwa 500 Personen demonstrieren auf dem Ala-Too Platz in Bischkek gegen chinesische Arbeiter in Kirgistan

In letzter Zeit häufen sich antichinesische Aktionen und Äußerungen in Kirgistan. Dahinter steht insbesondere die umstrittene Organisation „Kyrk-Tschoro“. Diese kleine aber medial sehr präsente nationalistische Gruppe zeigt damit ihre politische Relevanz.  

Es begann mit Berichten über die Inhaftierung ethnischer Kirgisen in den sogenannten Umerziehungslagern in der uigurischen autonomen Region Xinjiang im Nordwesten Chinas. Neben Uiguren ist diese Nachbarregion von Kirgistan auch die Heimat zahlreicher Kirgisen und Kasachen. Allein im Kreis Akqi im Kirgisischen Autonomen Bezirk Kizilsu sollen sich laut einigen Angaben 22.000  Kirgisen in Gewahrsam befinden.

Die Meldungen zu inhaftierten Kirgisen, meist verbreitet von deren Verwandten in Kirgistan, wurden zum Ausgangspunkt für eine Reihe von Demonstrationen in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek. Die Kritik am Vorgehen der Volksrepublik China mischte sich dort schnell mit Forderungen nach einer besseren Kontrolle von Chinesen und Ausländern im Allgemeinen.

Im Vordergrund der Proteste steht die Organisation „Kyrk-Tschoro“, oder „Vierzig Ritter“, in Bezug auf die 40 Weggefährten des epischen Helden Manas.

Eine Reihe antichinesischer Aktionen

Auf Initiative von Kyrk-Tschoro versammelten sich erstmals am 20. Dezember 2018 rund 100 Menschen vor der chinesischen Botschaft in Bischkek. Sie forderten Erklärungen zu den Berichten über die Inhaftierung von Kirgisen in den Umerziehungslagern von Xinjiang.

Dabei kam auch die Frage der illegalen chinesischen Arbeiter in Kirgistan zur Sprache. TeilnehmerInnen der Demonstration forderten die Deportation aller chinesischen ArbeiterInnen, die sich illegal im Land aufhalten.

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Ähnliche Forderungen wurden auch bei zwei weiteren Kundgebungen auf dem zentralen Ala-Too-Platz am 7. und 17. Januar laut.  Nach der letzten Demonstration wurden etwa 20 Personen verhaftet und erhielten wegen mangelnder Kooperation mit der Polizei eine Geldstrafe von 3.000 Som (ca. 38 Euro). Gegen eine Demonstrantin wird wegen „Anstiftung zum interethnischen Hass“ ermittelt.

Auf seinen Kundgebungen wendet sich Kyrk-Tschoro sowohl an die chinesischen als auch an die kirgisischen Behörden. Die Organisation setzt sich allgemein für eine bessere Kontrolle von Ausländern in Kirgistan ein. Einige DemonstrantInnen forderten zum Beispiel, kirgisischen Frauen die Hochzeit mit Ausländern zu untersagen und die Kriterien für die Erlangung der kirgisischen Staatsbürgerschaft zu verschärfen.

Verteidigung der kirgisischen Nation und Identität

Die Gründung der Organisation Kyrk-Tschoro, die virulenten Nationalismus mit starkem Sozialkonservatismus vermischt, geht auf den Tag nach der Revolution 2010 zurück. Ihr erklärtes Ziel: die Erhaltung der kirgisischen Kultur und des vermeintlich bedrohten nationalen Zusammenhalts.

Eine Razzia von Kyrk-Tschoro auf dem Madina-Basar in Bischkek, 2015

Bereits 2013 machte sich die Gruppe einen Namen, indem sie illegale „Razzien“ in Fabriken und Unternehmen der Bischkeker Umgebung durchführte. Dabei forderten sie die Vorlage von Arbeitserlaubnissen und Visa von chinesischen Arbeitern. Zwei Jahre später organisierten sie Razzien in von Ausländern besuchten Karaokeclubs, um gegen Prostitution vorzugehen. Die Organisation setzte sich auch aktiv gegen LGBT VertreterInnen ein.

In der kirgisischen Öffentlichkeit gibt es unterschiedliche Meinungen über diese Gruppe. Kritiker sehen in Kyrk-Tschoro und ihren Aktionen eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit in Kirgistan. Andere begrüßen die Organisation für ihr Vorgehen gegen die Untätigkeit der Behörden in bestimmten sozialen Angelegenheiten.

Kirgisische Regierung vorsichtig gegenüber China

Die Situation der kirgisischen Gefangenen in Xinjiang bietet Kyrk-Tschoro eine neue Gelegenheit, seine antichinesischen Ideen zu verbreiten. Damit kommen sie aber auch der Regierung Kirgistans in die Quere. Infolge der Demonstration am 7. Januar forderte der kirgisische Präsident Sooronbaj Dscheenbekow Strafen für diejenigen, die die Beziehungen zwischen Kirgistan und China aktiv beeinträchtigen wollen.

Komitee Kirgisen in Xinjiang
Am 30. November wurde ein Komitee für den Schutz der Kirgisen in Xinjiang gegründet

China ist in der Tat ein wichtiger Wirtschafts- und Finanzpartner Kirgistans. Es wird geschätzt, dass mehr als 40 Prozent der Staatsschulden Kirgistans Beijing gelten. Darüber hinaus gingen die chinesischen Investitionen in Kirgistan im Jahr 2018 deutlich zurück, von 300 Millionen US-Dollar (266 Millionen Euro) im Jahr 2017 auf 120 Millionen US-Dollar (106,4 Millionen Euro) im Jahr 2018.

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Präsident Dscheenbekow hat es bisher vermieden, die Situation in der uigurischen Region zu kommentieren. Somit schont er die Beziehung zu einem der wichtigsten Wirtschaftspartner seines Landes. Auf einer Pressekonferenz erklärte der chinesische Botschafter in Kirgistan, dass die Entwicklung der antichinesischen Stimmung die jahrelange bilaterale Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern nicht untergraben sollte.

Eine zweideutige Position gegenüber Kyrk-Tschoro

Andererseits wahren die Behörden einen milden Ton gegenüber der Mitgliedern von Kyrk-Tschoro. Bereits 2015 soll ein Vertrag zwischen den Behörden und der Organisation unterzeichnet worden sein, jedoch mit unklarem Rechtswert. Demnach hätte Kyrk-Tschoro das Recht, die Polizei gelegentlich bei bestimmten Operationen, wie bei Kontrollen in Unternehmen, zu unterstützen.

Am Vortag der Demonstration des 17. Januar wurden laut der Presseagentur 24.kg Mitglieder von Kyrk Tschoro eingeladen, an der Inspektion einer Raffinerie durch die kirgisische Migrationsbehörde teilzunehmen. Es soll auch ein Gesetzesentwurf in Vorbereitung sein, der eine Höchstquote von 20 Prozent ausländischer ArbeitnehmerInnen innerhalb eines Unternehmens vorsieht.

So versucht die kirgisische Regierung gleichzeitig gute Beziehungen zu China aufrechtzuerhalten und auf manche Aktionen von Kyrk-Tschoro einzugehen, um dem entsprechenden Teil der öffentlichen Meinung entgegenzukommen. Bislang hat sie aber noch nicht zur Kernfrage der Inhaftierung von Tausenden von chinesischen Bürgern kirgisischer Herkunft Stellung genommen.

In dieser Gleichung dient die Organisation Kyrk-Tschoro als Sprachrohr für einen Teil der kirgisischen Meinung, der die starke antichinesische Stimmung teilt. Trotz ihrer relativ geringen Größe sind ihre Aktionen äußerst medienwirksam und werden bis in die Regierungsebene berücksichtigt.

Antoine Lacome
Redakteur für Novastan in Bischkek

Aus dem Französischen von Florian Coppenrath

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