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Die Giraffe und der Affe – Eine Kunstausstellung in Bischkek

Das obrige Bild und viele mehr konnte man auf der Ausstellung „Schenke dein Lächeln“ im Museum für Kunst G. Aitiev in Bischkek vom 19. Januar bis zum 4. Februar sehen. Dank der Initiative vom öffentlichen Verein „Ruka v Ruke“ („Hand in Hand“) konnten junge Kinder mit Diagnose Autismus ihre Gefühle, Gedanken und Emotionen durch ihre Bilder ausdrücken. Die Besucher der Ausstellung konnten die Bilder aussuchen, die ihnen gut gefielen, und für einen akzeptablen Preis nach Hause nehmen.

Ausstellung Autismus Kinder
Ausstellung Autismus Kinder

Das obrige Bild und viele mehr konnte man auf der Ausstellung „Schenke dein Lächeln“ im Museum für Kunst G. Aitiev in Bischkek vom 19. Januar bis zum 4. Februar sehen. Dank der Initiative vom öffentlichen Verein „Ruka v Ruke“ („Hand in Hand“) konnten junge Kinder mit Diagnose Autismus ihre Gefühle, Gedanken und Emotionen durch ihre Bilder ausdrücken. Die Besucher der Ausstellung konnten die Bilder aussuchen, die ihnen gut gefielen, und für einen akzeptablen Preis nach Hause nehmen.

Die Hauptidee dieser Veranstaltung war es, den Besuchern Informationen über Autismus zu vermitteln. Denn dieser Begriff ist in Kirgisistan kaum bekannt und die Diagnose Autismus ist im Gesundheitssystem fast gar nicht erforscht. Mangelnde Kenntnisse über Autismus führen zu Missverständnissen in der Gesellschaft  und stellen große Herausforderungen für Familienmitglieder der Autisten dar. So wurden den Besuchern des Museums auf der Ausstellung Broschüren mit detaillierten Informationen über Autismus zur Verfügung gestellt.

Ausstellung Autismus Kinder

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In persönlichen Gesprächen haben Nargiza K., eine der Organisatorinnen der Ausstellung, und die Eltern der Teilnehmer Aiday I. und Cholpon M. von ihren Eindrücken der vergangenen Veranstaltung, ihren Sorgen und Hoffnungen und ihren Erfahrungen mit Autismus erzählt.

Nargiza, wie viele Kinder mit Autismus haben an der Ausstellung „Schenke dein Lächeln“ teilgenommen? Wie können Sie die Reaktion der Kinder auf die Veranstaltung beschreiben?

NK: An der Ausstellung haben 14 autistische Kinder teilgenommen und es wurden insgesamt 200 Bilder vorgestellt. 90 davon sind Bilder von autistischen Kindern, den Rest haben uns die Kinder aus einem anderen Kunstverein, dem Kunstverein „DI“, als Unterstützung zur Verfügung gestellt. Zum Ende der Ausstellung wurde knapp die Hälfte der Bilder verkauft. Das gesammelte Geld wird für Literatur, Schulungen für unsere Spezialisten und Arbeitsmittel für Kinder verwendet.

Die Reaktion der Kinder kann ich als positiv bewerten. Es war sehr lustig, dass einige Kinder zuerst verweigert hatten, ihre Bilder beizusteuern. Aber als sie im Museum ihre eigenen Bilder sahen, freuten sie sich und einige von ihnen brachten sogar am nächsten Tag noch mehr Bilder mit. Kinder mit Autismus können sich leider nicht immer verbal ausdrücken. Sie haben eine eigene Wahrnehmung der Außenwelt und Kommunikationsstörungen. Sie können nicht erklären, was sie fühlen, warum sie dieses oder jenes Bild gemalt haben. Umar zum Beispiel, einer unserer Künstler-Stars, mischt gerne Farben und entdeckt so immer neue Farbtöne. Beim Malen lächelt er in der Regel. Wenn er gut gelaunt ist, verwendet er fröhliche Farben, wenn er aber dunkle Farben benutzt, kann man schon erkennen, dass er traurig ist. Oder Ilias – er zeigt gerne seine Bilder und erzählt, was darauf gezeichnet ist. Besonderes mag er die Helden aus den Disney Zeichentrickfilmen.

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AD: Wie hoch war das Interesse seitens der Bürger, welche Einstellung hatten sie zum Thema Autismus?

NK: Wir haben öfters Anrufe von Interessenten bekommen, die nicht nur über die Ausstellung, sondern auch über Aktivitäten von „Ruka v Ruke“ gefragt haben. Es war unser Traum, eine solche Ausstellung im Hauptmuseum des Landes zu organisieren. Die Administration des Museums hat uns sogar seine Räume kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Medien haben viel über uns berichtet.

Auch die Präsidentengattin Raisa Atambaeva besuchte die Ausstellung und überreichte dem Verein „Ruka v Ruke“ ein Zertifikat über ein Million Som als Unterstützung im Namen des Präsidenten. Es hat uns natürlich sehr gefreut, dass wir so große Aufmerksamkeit gewonnen haben. Wir glauben, das ist ein großer Fortschritt für uns.

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AD:  Autistische Kinder benötigen spezielle Arbeitsmittel und angepasste Spielzeuge für ihre Therapie. Wie beschaffen Sie diese Arbeitsmittel?

NK: Wir arbeiten ständig daran. Die Kinder müssen immer wieder neue Fertigkeiten erwerben und wir versuchen, benötigte Arbeitsmittel anhand spezieller Literatur zu entwickeln. Da man solche direkt in den Geschäften nicht beschaffen kann, kaufen wir einzelne Bestandteile und stellen die benötigten Gegenstände selber zusammen. Die meiste Literatur, die wir hier verwenden, kommt aus dem Ausland. Wir haben sie auf Kirgisisch und Russisch übersetzen lassen. Wir versuchen möglichst viel Anschauungsmaterial und Lernmittel für Eltern vorzubereiten. Es ist auch wichtig, sie den Familien aus weiter entfernten, ländlichen Regionen Kirgisistans zugänglich zu machen.

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AD: Aiday, Sie sind Mutter der 7-jährigen Rabiga, die auch an dieser Ausstellung teilnahm und die Besucher mit ihrer Serie von Giraffen-Bildern begeisterte. Können Sie uns Ihre Geschichte erzählen?

AI: Als wir von ihrer Diagnose erfuhren, waren wir natürlich schockiert. Ich erwartete wie jede andere Mutter, dass mein Kind erfolgreich und glücklich sein wird. Wenn man aber versteht, dass die Diagnose für das ganze Leben ist, ist es sehr schwierig, das zu akzeptieren. Es gab viele Tränen, sogar Depression. Zuerst wusste ich nicht, womit ich anfangen sollte. Rabiga hatte manchmal hysterische Anfälle und mit der Zeit vergaß sie auch einige Wörter, die sie früher benutzt hatte. Mir war aber bewusst, dass Rabiga nur mich hatte und wenn ich nichts unternehmen würde, würde es meiner Tochter nichts Gutes tun.

Damals gab es kaum Spezialisten und man konnte keine pädagogische Therapie bekommen. Ich fing an, viel zu lesen. Als ich andere Eltern in ähnlicher Situation traf, verstand ich, dass man sich für sein eigenes Kind nicht zu schämen braucht. Ich versuchte früher, Kontakte mit anderen zu vermeiden, da die Gesellschaft leider „andere“ Menschen nicht versteht. Viele Kindergärten und Schulen verweigern es, autistische Kinder aufzunehmen, wobei einige autistische Kinder in Begleitung von Tutoren durchaus in der Lage sind, eine öffentliche Schule zu besuchen. Man sollte daher mit voller Kraft weiter an der Erhöhung der Sensibilität zu diesem Thema arbeiten.

AD: Aiday, Sie sind eine der Gründerinnen des Vereins „Ruka v Ruke“, und arbeiten auch neben Ihrem aktiven Engagement dort, sowie an der Betreuung Ihres Kindes. Welchen Schwierigkeiten begegneten Sie bei der Gründung der Organisation und was waren wichtige Erfolge?

AI: Am Anfang war es sehr schwer. 2012 wurde der Verein „Ruka v Ruke“ durch eine Initiative von Eltern gegründet. Es gab damals nur fünf Eltern. In Kirgisistan fehlte eine grundlegende Basis, es gab keine speziellen Einrichtungen für autistische Kinder. Man musste von Null anfangen. Es war schwierig, Räume zu finden, sehr zeitaufwändig, Termine bei Staatsbeamten zu bekommen. Wir mussten die Programme selbst erarbeiten und nach finanziellen Förderungen suchen. Danach fing die Realisationsphase des Projekts an, Eltern führten neben ihren Berufsleben selbst diese Projekte und setzten sich voll für den Verein ein. Zusammen mit Volontären aus Japan und den USA haben wir international praktizierte Methoden eingeführt. Einmal pro Woche besuchte ein Schäferhund unser Zentrum.

Ab Herbst 2014 lief ein zehnmonatiges Projekt für Kinder mit schwerem Autismus, dass vom Ministerium für Sozialleistungen finanziert wurde. 15 Kinder wurden durch geschulte Spezialisten von zu Hause aus betreut und acht von ihnen konnten nach diesen Behandlungen eine Schule besuchen. Wir überstanden alle diese Schwierigkeiten und erreichten erste Erfolge, da wir verstanden haben, dass wir nur dann stark sind, wenn wir vereint sind.

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2014 startete noch ein Pilot-Projekt in der staatlichen Schule Nr. 34 für Behinderte mit finanzieller Unterstützung von Soros Fond in Kirgisistan, Bischkek Petroleum (Raumreparatur) und UNISEF. Sechs autistische Kinder gingen zur Schule, wo ihre eigenen Eltern ihnen als Tutoren zur Seite standen. Die Kinder sind besonders in den ersten Jahren auf Tutoren angewiesen, da sie in ihrer Wahrnehmung ganz abwesend sein können, sie können sich nicht lange konzentrieren. Seit Herbst 2015 besuchen 18 Kinder diese Schule und meine Tochter geht schon in die zweite Klasse. Wir sind auch sehr froh, dass die Schule Nr. 34 bereit war, unser Projekt zu unterstützen. Dieses Projekt läuft aber im nächsten Jahr ab und wir müssen überlegen, wie wir weiter vorgehen.

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AD: Welche persönlichen Eindrücke haben Sie von der Ausstellung „Schenke dein Lächeln“ und wie hat Rabiga sie wahrgenommen?

AI: Schon die Tatsache, dass in Bischkek eine solche Ausstellung stattfand, bereitet uns große Freude. Durch diese Veranstaltung wollten wir zeigen, dass Autisten auch normale Menschen sind wie wir. Sie können zeichnen, malen, die Schule besuchen, neue Fähigkeiten erlernen.

Meine Tochter zum Beispiel liebt Giraffen und malt in letzter Zeit nur sie gerne. Auf der Ausstellung, als wir an ihren Bilder vorbeigingen, sagte sie: „Oi, Giraffe“. Es hat sie gefreut, dass sie ihre Giraffen gesehen hat. In ihren Bildern drückt sie ihre Gefühle durch verschiedene Zustände der Giraffen aus: es gibt Bilder wie „die Giraffe und der Affe„, „Giraffe schläft, „Giraffe hat Halsschmerzen“, „Mutter Giraffe“, „Kind Giraffe“, usw. Wir sind sehr froh, dass diese Ausstellung stattgefunden hat.

AD: Was würden Sie den Eltern raten, die gerade über die Diagnose ihres Kindes erfahren haben?

AI: Ich wünsche ihnen viel Kraft. Das Leben wird in vor und nach der Diagnose aufgeteilt. Eltern müssen aber verstehen, dass sie für ihre Kinder die einzige Unterstützung sind und ihnen eine Chance für Veränderungen geben können. Es ist auch sehr wichtig, frühestmöglich mit notwendigen Maßnahmen anzufangen. Man darf keine Zeit verlieren, weil je früher Behandlungen vorgenommen werden, desto höher sind die Chancen auf Verbesserungen.

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AD: Cholpon, was können Sie von dieser Veranstaltung erzählen? Sind Sie zufrieden, was hat Ihnen gut gefallen?

CM: Diese Ausstellung ist die beste Möglichkeit zu zeigen, dass es Menschen mit reicher Innenwelt gibt, die aber von der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Man akzeptiert, dass es gute und schlechte, warmherzige und aggressive Leute gibt. Warum können wir nicht akzeptieren, dass es auch Menschen mit Autismus gibt? Nur durch solche Veranstaltungen und öffentliche Aktionen können wir den Menschen die Botschaft geben, dass wir auch ihre Besonderheiten akzeptieren müssen.

Der Besuch vom Apparat des Präsidenten gibt uns die Hoffnung, dass wir auch von Gesundheits– und Bildungsministerium Beachtung finden können. Vielleicht wird es auf Staatsebene Änderungen für Autisten geben.

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AD: Cholpon, können Sie uns über Ihren Sohn, Ilias, erzählen?

CM: Mein Sohn ist 15 Jahre alt. Die Diagnose Autismus wurde erst in Moskau, als Ilias fünf war, gestellt. Dort wurden auch Behandlungen für Verhaltenskorrektur durchgeführt. (später erhielt Ilias in den Vereinigten Staaten die genauere Diagnose „Autistic-like“, die ihn als Person identifiziert, die viele Anzeichen von Autismus aufweist, aber deren Erkrankung nicht ausgeprägt ist, Anm. d. Red.). Wir lebten sieben Jahre in Almaty, Kasachstan, als mein Mann dort arbeitete. Wir hofften, dort eine spezielle Schule für Ilias zu finden. Leider aber nahm uns die kasachische Schule für Kinder mit Autismus nicht auf. Unser Sohn besuchte dann dort fünf Jahre eine private Schule. Wir hatten Glück, dass die Lehrerin Verständnis hatte und unseren Sohn aufnahm und gut betreute. Ilias hat sich sehr viel Mühe gegeben, die Erwartungen an ihn zu erfüllen.

Als wir wegen der Arbeit meines Mannes in Malaysia wohnten, besuchte unsere ältere Tochter die Schule dort und in ihrer Klasse war ein Kind mit Down-Syndrom. Das Kind wurde von den anderen Klassenkameraden gleich behandelt. Damals fiel es mir auf, dass dort auch unter kleinen Kindern Geduld gegenüber „besonderen“ Kindern geprägt war.

In Bischkek ist es für autistische Kinder sogar schwer, in Sport- oder Kunstvereine aufgenommen zu werden. Alles, was der Verein „Ruka v Ruke“ erreicht hat, war nur dank der Mühe von Eltern möglich. Es ist sehr wichtig, dass die Kinder auch zur Schule gehen und mit anderen Kindern in Kontakt treten können. Wir können sie nicht die ganze Zeit zu Hause einsperren. Wenn sie aber zur Schule gehen, verstehen sie, dass man in der Gesellschaft Verhaltensregeln einhalten muss. Sie verstehen, dass man im Unterricht am Schreibtisch bleiben soll. Sie lernen, dass es Wochentage gibt und sie die Schule besuchen müssen. Dort konzentrieren sie sich auf konkrete Inhalte.

Häufig verstehen sie nicht, wenn der Lehrer mit ihnen spricht, dann helfen die Tutoren ihnen dabei. Das alles kann zu Fortschritten bei ihnen führen. Wir Eltern müssen aber zurzeit für alles kämpfen, für alles zahlen und Aufmerksamkeit „kaufen“. Wir erleben jeden Tag den Stress, wenn wir uns mit Kindern an öffentlichen Orten befinden, weil wir uns dort unwohl fühlen. Das kommt alles von einem Informationsmangel darüber, was Autismus ist.

AD: Was würden Sie den Eltern empfehlen, deren Kinder auch unter Autismus leiden?

CM: In erster Linie müssen beide Elternteile Verständnis haben und nicht zulassen, dass ihre Familie zerbricht. Häufig trennen sich Eltern, weil es eine schockierende Erkenntnis ist. Man sollte versuchen, eine Lösung zu finden. Mein Mann zum Beispiel hat mich sehr unterstützt. Wir haben gelernt, mit dieser Diagnose weiter zu leben und uns über Alltagkleinigkeiten zu freuen: unser Sohn erfreut uns mit seinen Erfolgen in der Schule, kann selber manchmal sein Zimmer aufräumen.

Wenn wir überlegen, was wir überstanden haben und was uns noch erwartet, ist es nicht einfach. Gott aber gibt denjenigen Schwierigkeiten, die in der Lage sind, sie zu bekämpfen. Ich wünsche Eltern viel Geduld und Kraft. Es ist auch sehr wichtig, eine gute finanzielle Basis zu haben, weil für die Behandlung der autistischen Kinder hohe Kosten zu tragen sind, die der Durchschnittsbürger Kirgisistans kaum tragen kann. Wir müssen aber verstehen, dass ein Kind ein Geschenk ist und wir es schätzen müssen.

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Interview: Anara Dzhumashova
Text: Cholpon Dzhumashova

Redaktion: Vanessa Graf

Die Autorin möchte den Eltern große Bewunderung für Ihre großartigen Ergebnisse, die sie in den letzten Jahren erreicht haben, ausdrücken. Wir wünschen ihnen viel Erfolg bei weiteren Projekten und hoffen, dass in Kirgisistan die größten Probleme wie der Mangel an Spezialisten oder fehlende Einrichtungen für autistische Menschen bald gelöst werden.  

Die Redaktion von Novastan.org möchte die Leser auf die Möglichkeit für Spenden für den Öffentlichen Verein „Ruka v Ruke“ aufmerksam machen. Unter dem folgenden Link gibt es weitere Informationen über die mögliche Arten, zu spenden: http://autism.kg/?page_id=14

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