In einem unsicheren weltwirtschaftlichen Kontext hat die Asiatische Entwicklungsbank ihren Bericht für das Jahr 2020 veröffentlicht. In Zentralasien zeichnen sich zwei Wege ab: Nach einem starken Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität im Jahr 2020 sollte es einigen Ländern gelingen, die Kurve im Jahr 2021 umzukehren. Andere werden auf ungewisse Zeit in einem wirtschaftlichen Abschwung verharren.
Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) veröffentlichte am 3. April ihren jährlichen Prognosebericht, wie das auf Zentralasien spezialisierte russische Onlinemedium Fergana News, berichtet. Laut dem Bericht, der sich ganz auf die Auswirkungen des Coronavirus konzentriert, ist ein wirtschaftlicher Rückgang unvermeidlich. Teils droht sogar eine Wirtschaftskrise.
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Es wird auch erwartet, dass sich die Inflation in allen Ländern Zentralasiens in den kommenden Monaten verschlechtern wird. Sie alle werden vom Rückgang der Ölpreise, dem Anstieg der Lebensmittelpreise und dem Rückgang des Tourismus getroffen. Trotz dieser Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die Prognosen von Land zu Land stark: Der Bericht betont, dass die Länder der Region unterschiedlich für die Bewältigung dieser Krise gerüstet sind.
Die Krise macht regionale Disparitäten deutlich
Die Situation um Covid-19 bringt klare Unterschiede zwischen den Ländern der Region ans Licht: Manche sollten nach einem schlechten Jahr 2020 die Kurve im Jahr 2021 umkehren, für andere könnten die Folgen der Krise viel längerfristig spürbar sein.
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In ersterem Fall sollte der größte Teil der Schäden in zwei Jahren überwunden sein wird. Dies gilt für Kasachstan, die dynamischste Wirtschaft in der Region, aber auch für Kirgistan und Usbekistan. Trotz eines als schlecht vorhergesagten Jahres 2020 mit einem Einbruch der Ölpreise und verschiedenen Folgen von Covid-19 (Einbruch der Nachfrage nach Metallen, Rückgang des Inlandsverbrauchs durch Eindämmungsmaßnahmen…) prognostiziert die ADB dort für 2021 eine Trendwende.
Tadschikistan und Turkmenistan könnten langfristig stagnieren
Tadschikistan und Turkmenistan hingegen werden wahrscheinlich viel länger brauchen, um sich von den Folgen der Krise zu erholen. Für 2021 wird ein schwaches Wachstum erwartet, ohne eine klare Senkung der Inflationsraten.
Nach Angaben der Entwicklungsbank lässt sich die Lage in diesen beiden Ländern durch mehrere Faktoren erklären. Einerseits arbeitet der Staat weniger effizient. Anderseits führen die Länder einen sehr einseitigen Handel. Dies gilt insbesondere für Turkmenistan, das fast nur Erdgas (mehr als 80% seiner Exporte im Jahr 2017) exportiert, und dies fast nur an einen einzigen Handelspartner (ebenfalls 2017 wurden 99,5% dieses Erdgases nach China exportiert). In dieser Hinsicht ermutigt die ADB die beiden Länder, Reformen einzuleiten, um die Exporte zu diversifizieren und Investitionen zu erleichtern.
Im weiteren Sinne hatten beide Länder lange mit den Folgen des Einbruchs der Ölpreise zwischen 2014 und 2016 zu kämpfen. Davon zeugt die Inflation in Turkmenistan, die in den letzten Jahren im zweistelligen Bereich geblieben ist.
Unsichere Prognosen
Diese Vorhersagen sind mit Vorsicht zu genießen. Angesichts der vielen zu berücksichtigenden Faktoren und des Mangels an Daten bleiben sie eher spekulativ. Neben den üblichen Wirtschaftsdaten haben die Regierungen auch außergewöhnliche Gesundheitsausgaben, die Eindämmungsmaßnahmen gegen das Coronavirus fallen unterschiedlich aus, Transportschwierigkeiten erhöhen Importkosten und es gibt einen starken Rückgang der Rückzahlungen von zentralasiatischen Arbeitsmigranten.
All diese Parameter konnten von der ADB nicht genau berücksichtigt werden. Die Organisation musste im Übrigen nach eigenen Angaben bereits in den letzten Wochen ihre Wirtschaftsprognosen nach unten korrigieren. Darüber hinaus gehen diese Schätzungen davon aus, dass die Eindämmungsmaßnahmen kurzfristig beendet sein sollten. Eine Ausweitung der Maßnahmen hätte daher weitaus schwerwiegendere Folgen.
Andere Voraussagen sing weniger zuversichtlich. Vor einigen Tagen schätzte Fergana News auf der Grundlage von Interviews mit Ökonomen in der Region, dass die Krise „viel schlimmer als 2008 und 2014 zusammen“ sein würde. Ihrer Meinung nach verfügt nur Kasachstan über die Mittel, um die Krise wirksam zu bewältigen; die anderen Länder würden davon Länder stark beeinträchtigt. Für die Experten liegt es daran, dass die zentralasiatischen Länder gleich mit zwei Krisen konfrontiert sind: der Ölkrise, die vor einigen Monaten mit dem Preisverfall begann, und der Gesundheitskrise.
Was tun?
Kurzfristig sind staatliche Maßnahmen erforderlich. Alle von Fergana News interviewten Ökonomen sind sich darin einig. Bestimme Maßnahmen werden bereits getroffen: Usbekistan hat zum Beispiel fast eine Milliarde Euro zur Unterstützung seiner Wirtschaft freigegeben, Kasachstan hat seinen Handel geändert, um einen Anstieg der Lebensmittelpreise zu verhindern, Turkmenistan hat Abhebungen von Fremdwährungen ausgesetzt, um zu verhindern, dass ihm das Geld ausgeht. Alle Länder Zentralasiens verfolgen derzeit eine aktive Politik, um dieser Ausnahmesituation zu begegnen.
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Auch internationale Hilfe sollte in Betracht gezogen werden. Gegenwärtig ruft die UNO zu einer Mobilisierung der internationalen Gemeinschaft auf, um fragilen Volkswirtschaften zu helfen. In einer Erklärung sagte der Administrator des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen: „Ohne die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft riskieren wir eine massive Umkehrung der in den letzten zwei Jahrzehnten erzielten Gewinne und den Verlust einer ganzen Generation an Rechten, Chancen und Würde, wenn nicht gar an Menschenleben.“ Der Internationale Währungsfonds hat seinerseits einen Notfallplan in Höhe von 120 Millionen Dollar zur Unterstützung der kirgisischen Wirtschaft aufgelegt und ein ähnlicher Plan für Tadschikistan wurde vom dortigen Finanzministerium angekündigt.
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Langfristig empfiehlt die ADB den Ländern schließlich, sich auf ein von Singapur inspiriertes Entwicklungsmodell zu konzentrieren, das die Verbesserung des Bildungswesens und die Entwicklung von Städten zu attraktiven Zentren, insbesondere durch große Universitäten und Firmensitze, beinhaltet.
Héloïse Dross
Redakteurin für Novastan.org
Aus dem Französischen von Florian Coppenrath
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