Wofür engagieren sich Jugendorganisationen in Kasachstan? Und welchen Einfluss haben sie auf die Gesellschaft? Sofia und Ainur sprachen im nordkasachischen Petropawlowsk mit zwei Jugendorganisationen: Zhas Otan, der Jugendorganisation der Regierungspartei, und Allianz, einer unabhängigen Organisation. Folgender Beitrag entstand im Rahmen des internationalen Podcastprojektes „Zentralasien 2030“ .
Wir befinden uns in Petropawlowsk, einer kleinen Stadt in Nordkasachstan mit 200.000 Einwohnern. Unser Thema sind die örtlichen Jugendorganisationen und ihre Rolle für die Stadtentwicklung. In unserem Beitrag geht es um die Studentenorganisationen „Zhas Otan“, zu Deutsch „Heimatjugend“ und „Allianz Studentow„.
Zhas Otan ist die Jugendorganisation der Partei Nur Otan (zu Deutsch „strahlendes Vaterland“ Anm.d.Red.), der Partei des kasachischen Präsidenten Nursultan Nazarbajews und existiert seit 2008. Die unparteiische Organisation Allianz wurde bereits 2006 von Studierenden gegründet. Beide unterstützen die Rechte und Interessen der Studierenden. Das Hauptziel beider Organisationen ist die Entwicklung der Jugend und ihrer Zukunftsperspektiven, damit sie später führende Positionen übernehmen können. Eine Umfrage auf den Straßen in Petropwalowsk zeigt, welche Rolle die Parteien in der Gesellschaft spielen.
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Die Menschen auf der Straße in Petropawlowsk haben auf die Frage geantwortet, ob sie die Jugendparteien Zhas Otan und Allianz kennen und auch über ihren Einfluss in unserer Stadt gesprochen.
„Ich habe davon gehört, aber die Organisationen haben keinen Nutzen für unsere Stadt.“
„Nein, ich weiß überhaupt nichts.“
„Ich habe nur davon gehört.“
„Diese Parteien heißen „Jugendorganisationen“. Der Name sollte bestimmend sein. Es ist die Pflicht der Jugend an diesen Jugendorganisationen aktiv teilzunehmen.“
„Die Studenten sind Aktivisten von Jugendorganisationen, sie helfen älteren Menschen und organisieren Veranstaltungen.“
„Zhas Otan ist unsere Zukunft, wir glauben an die Jugend!“
Aus der Straßenumfrage haben wir eine Statistik erstellt. 20 von 30 Befragten wissen von den Jugendorganisationen überhaupt nichts, sechs haben von diesen Organisationen nur gehört, eine Person hat sich negativ geäußert und drei Personen hatten positive Meinungen.
Ein besonderer Fokus auf Wohltätigkeit
Wir haben den Vorsitzenden der Jugendpartei Zhas Otan zu seiner Sicht auf die Organisation interviewt. Abilaychan Kayrullayew erklärt uns die Ziele von Zhas Otan und wie die Mittgliederanwerbung funktionniert. Besondere Aufmerksamkeit wird innerhalb der Jugendorganisation der Präsidentenpartei wohltätigen Projekten zuteil:
„Es gibt Projekte für die Jugend, mit deren Hilfe sie sich entwickeln können, zum Beispiel durch Hilfe für Kriegsveteranen.“
Zur Zeit gibt es 1638 Zhas Otan Mitglieder in Petropawlowsk. Über die Hälfte der Mitglieder sind Frauen, aber in den leitenden Ämtern gibt es mehr Männer:
„Wir streben die Gleichstellung der Geschlechter an, aber leider, in Folge unserer Mentalität, dominieren die Männer in leitenden Ämtern.“
Auf die Frage, ob sich die Jugendlichen aus Selbstlosigkeit engagieren oder ob sie damit ihren Lebenslauf verbessern wollen, hat Abilaychan eine klare Antwort:
„Die Aktivisten nehmen uneigennützige Arbeit als Pflicht gegenüber ihrer Heimat wahr. Diese Arbeit gefällt ihnen.“
Er spricht über die beruflichen Perspektiven, die die Jugendlichen durch die Zeit in der Partei erlangen. Den Jugendlichen stehen ihm zufolge viele Möglichkeiten offen, da die Parteiarbeit wertvolle Erfahrungen vermittelt.Viele der Aktivisten arbeiten später bei staatlichen Stellen in Politik und Wirtschaft.
„Die Parteiarbeit ist eine kolossale Erfahrung, wie man sie während der Studienzeit nicht immer machen kann.“
Konkurrenz als Antrieb
Zhas Otan arbeitet mit vielen anderen Jugendorganisationen zusammen, zum Beispiel mit Schassyl El, KWN, Debatten und Allianz. Abilaychan sieht nur Vorteile in dieser Zusammenarbeit. Er meint, trägt die Konkurrenz zwischen den Organisationen zu einer steten Weiterentwicklung der Parteien bei.
Saltanat Achmetowa, die stellvertretende Vorsitzende der Jugendorganisation „Allianz“ hat mit uns über die Ziele und Aufgaben ihrer Organisation gesprochen. Während bei Zhas Otan auch Schüler der höheren Stufen teilnehmen dürfen, gibt es bei der Allianz nur Studierende.
„Unsere Jugendorganisation widmet sich wohltätigen Zwecken und Freiwilligenarbeit. Wir interessieren uns für den Schutz der Studierendenrechte und organisieren auch verschiedene Bildungsveranstaltungen. Zum Beispiel das Projekt „Chistaya Sessiya“ (auf Deutsch „saubere Prüfung“) für den Kampf gegen die Korruption.“
Es gibt mehr als 40 aktive Mitglieder in der Allianz. Die Vorsitzende der Jugendorganisation ist eine Frau und Saltanat zu folge sind Frauen und Männer gleichgestellt. Aber dennoch sind die Männer aktiver als die Frauen. Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in anderen Jugendorganisationen, wie beispielsweise Zhas Otan, rührt von der kasachischen Mentalität her, der zufolge Männer besser führende Positionen übernehmen können als Frauen, ist Saltanat überzeugt:
„Meiner Meinung nach ist die Allianz nicht weniger aktiv, weil die Vorsitzende eine Frau ist. Eher weil wir im Gegensatz zu Zhas Otan keine staatliche Unterstützung bekommen.“
Keine gleichberechtigte staatliche Finanzierung
Im Bezug auf die Straßenumfrage sagt Saltanat, dass die Jugend nicht ausreichend informiert ist. Sie werden dies in ihrer zukünftigen Arbeit berücksichtigen. Saltanat und Abilaychan sind sich einig, was die Konkurrenz zwischen den unterschiedlichen Parteien angeht: Konkurrenz führt beiden zufolge zu Fortschritt.
Kann man also sagen, dass beide Parteien zur Entwicklung der Stadt beitragen? Sowohl Zhas Otan als auch die Allianz verfügen über gute Ideen, haben jedoch aber auch Probleme. Bei Zhas Otan ist dies vor allem die Unterschätzung von Frauen. Bei der Allianz sind zwar auch die Männer aktiver als die Frauen, doch das grundsätzliche Problem ist die fehlende Finanzierung. Es bleibt zu hoffen, dass bis zum Jahr 2030 die Jugendorganisationen gleichberechtigt vom Staat unterstützt werden und einen größeren Einfluss auf die Stadtentwicklung nehmen können.
Ainur Kakimova und Sofia Stroh
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