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Kirgistan: Lebenslange Freiheitsstrafe für Menschenrechtler Askarow bestätigt

In Kirgistan wurde der usbekischstämmige Menschenrechtsaktivist Asimschon Askarow in einem erneuten Prozess zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Fall erfährt internationale Aufmerksamkeit und brachte Kirgistan wegen Verletzungen der Rechte des Angeklagten im März 2016 eine Verurteilung des UN-Menschenrechtskomitees.

Asimschan Askarow
Asimschan Askarow

In Kirgistan wurde der usbekischstämmige Menschenrechtsaktivist Asimschon Askarow in einem erneuten Prozess zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Fall erfährt internationale Aufmerksamkeit und brachte Kirgistan wegen Verletzungen der Rechte des Angeklagten im März 2016 eine Verurteilung des UN-Menschenrechtskomitees.

Asimschon Askarow ist weiterhin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Dies entschied das Tschüj-Regionalgericht in Bischkek am 24. Januar nach einem mehrmonatigen Prozess. Dem Menschenrechtsaktivisten und Journalisten werden die  Organisation von Massenunruhen in Basar-Korgon, im Süden des Landes, Anstiftung zum interethnischen Unfrieden und die Teilhabe am Mord des Polizisten Mykytbek Sulajmanow zur Last gelegt. Die Vergehen soll Askarow während der Unruhen im Süden Kirgistans im Juni 2010 begangen haben.

Der Prozess wurde im Anschluss an eine Erklärung des UNO-Menschenrechtskomitees wiedereröffnet. Trotz expliziter Aufforderung des Menschenrechtskomitees wurde Askarow jedoch nicht aus dem Gefängnis für lebenslange Insassen befreit. Kirgistan werden im Fall Askarow mehrfache Verletzungen des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte vorgeworfen, darunter Askarows Folter in Haft und seine willkürliche Verhaftung.

Ein umstrittenes Urteil

Die Richter begründeten ihr Urteil, dessen Ankündigung zwei Mal um eine Woche verlegt wurde, wie schon im ersten Prozess allein durch Zeugenaussagen. Zeugen, die von der Verteidigung geladen wurden, bestritten jedoch, Askarow am Tatort gesehen zu haben. Das Gericht äußerte auch Zweifel bezüglich der Aussagen Askarows, er sei in Haft mehrfach gefoltert worden, denn dre­­i psychiatrische Gutachten hätten ihn als „Lügner und Kriecher“ identifiziert.

Nach der Urteilsverkündung begann Askarow einen unbefristeten Hungerstreik. Seine Unterstützer, Familienangehörigen und sein Anwalt haben ihn dazu aufgerufen, eine Berufung beim höchsten Gerichtshofs abzuwarten.

Internationale Organisationen und Menschenrechtsaktivisten kritisierten das Urteil. Der UN-Menschenrechtskommissar nannte das Urteil in einer Presseerklärung „zutiefst beunruhigend“. Es weise auf „tiefgreifende Mängel im [kirgisischen] Justizsystem“ hin.  Auch der Pressesprecher des EU-Außendienstes bedauerte, dass das Gericht sämtliche Einwände des UN-Menschenrechtskomitees zurückgewiesen hat. Die EU erwarte von den kirgisischen Behörden, dass sie die Einhaltung internationaler Menschenrechtsnormen im Prozess garantierten.

Der Fall Askarow

Der Fall Askarow ist einer der prominentesten Gerichtsfälle in Kirgistan und wegen seinem Bezug zu den interethnischen Spannungen im Süden des Landes im Juni 2010 besonders sensibel. Der usbekischstämmige Menschenrechtsaktivist hatte vor seiner Festnahme mehr als ein Jahrzehnt lang Missstände im Strafvollzug und Gewalt seitens der Polizei rund um seinen Heimatort Basar-Korgon dokumentiert. Er leitete die Menschenrechtsorganisation Wosduch (Russisch für Luft, Anm. d. Red) und arbeitete mit der in Russland ansässigen Presseagentur Ferghana News zusammen.

Nach dem gewaltsamen Tod des Polizisten Mykytbek Sulajmanow am 13. Juni 2010 während der Unruhen zwischen Kirgisen und Usbeken in Basar-Korgon, wurde Askarow am 15. Juni von der Polizei festgenommen. In den darauffolgenden Tagen, in denen er keinen Zugang zu seinem Anwalt hatte und ihm die Gründe seiner Festnahme nicht genannt wurden, wurde er nach eigenen Aussagen [Tonaufnahme aus einem Gespräch mit einer Abgeordneten und Journalisten im Februar 2012] mehrfach gefoltert.

Laut Menschenrechtsorganisationen hing seine Festname unmittelbar damit zusammen, dass er während der Unruhen Daten und Videomaterial gesammelt hatte. Die Polizisten hätten außerdem Rache dafür gesucht, dass er ihre Arbeit über Jahre hinweg öffentlich kritisierte.

Am 15. September 2010 wurde Askarow erstmals vom Regionalgericht der Region Dschalalabat zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Am 20. Dezember 2011, kurz nach der Wahl des amtierenden Präsidenten Almasbek Atambajew, bestätigte der oberste Gerichtshof das Urteil in letzter Instanz.

Nachdem Askarow durch die Sammlung weiterer Zeugenaussagen zu seiner Entlastung keine Wiederaufnahme des Prozesses  erreichen konnte, wandte er sich im November 2012 mit einer Klage an das UN-Menschenrechtskomitee. Ende März 2016 fordert das Menschenrechtskomitee wegen vielfacher prozeduraler Mängel und Verletzungen des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte die unverzügliche Befreiung Askarows.

Der höchste kirgisische Gerichtshof erklärte daraufhin das erste Urteil für nichtig und forderte einen erneuten Prozess. Er ging allerdings nicht auf die Einwände der UN ein und ließ Askarow in Haft, wohl unter anderem auf Druck der Angehörigen des ermordeten Polizisten Sulajmanow hin.

Internationale Resonanz

Der Fall sorgte weltweit für Aufsehen. So wurde Askarow während seiner Haft mit mehreren Menschenrechtspreisen ausgezeichnet: der Homo Homini Award von der tschechischen Organisation „People in need“ (2010) und den „International Press Freedom Award“ vom Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ, 2012).

Askarov Menschenrechtspreis US Department of State
Askarows Sohn Schersod nimmt seinen Preis für Menschenrechtsaktivisten im Juli 2015 entgegen.

Die Erteilung des Preises für Menschenrechtsaktivisten 2014 des US Department of State im Juli 2015 fürte zu einer diplomatischen Krise zwischen Kirgistan und den Vereinigten Staaten. Kirgistan denunzierte den Kooperationsvertrag mit den Vereinigten Staaten. Ein neuer Vertrag wurde seitdem verhandelt.

Der Fall Askarow war auch Thema bei beiden Treffen zwischen dem kirgisischen Präsidenten Almasbek Atambajew und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin im Dezember 2012 und in Bischkek im Juli 2016.

Nach der Urteilsverkündigung erklärte die Menschenrechtsaktivistin Dinara Oschurachunowa, dass die Nichteinhaltung der Entscheidungen des UN-Menschenrechtskomitees vor allem für die Bürger Kirgistans eine Gefahr darstellten. Weitere Fälle dieser Art sollte es nicht geben, denn durch die kürzliche Verfassungsänderung hat Kirgistan internationalen Gerichten die Autorität über nationale Rechtsprechung aberkannt.

Die Redaktion von Novastan

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