Fast 15 Tage lang lebten Usbekistan und Kirgistan nach dem Rhythmus der Grenzspannungen in der Provinz Jalal-Abad. Falls Sie die Ereignisse nicht verfolgt haben – Novastan bietet Ihnen eine kurze Zusammenfassung.
Was ist passiert?
Am 18. März meldete der kirgisische Grenzschutz einen Einsatz der usbekischen Armee mit zwei Schützenpanzern des Typs BTR sowie ungefähr vierzig Soldaten. Der Einsatz fand in der Nähe von Mongol statt, in der kirgisischen Provinz Daschalalabad im Südwesten des Landes.
Die Anwesenheit von usbekischen Truppen in einem nicht klar definierten Grenzgebiet lässt in Bischkek Sorge aufkommen. Am selben Tag wird eine Protestnachricht nach Taschkent geschickt, um die Soldaten zurückzuziehen. Nachdem man keine Antwort erhielt, schickt die kirgisische Armee am nächsten Tag zwei Fahrzeuge zum Truppentransport in die betroffene Region.
In den kirgisischen Medien und sozialen Netzwerken sind die Ereignisse äußerst präsent. Am 19. März trifft sich eine kleine Gruppe von Menschen vor dem Regierungssitz in Bischkek, um den Rückzug der usbekischen Truppen an der Grenze zu fordern. Drei Tage später wird eine Protestkundgebung in der Stadt Kerben gehalten, nahe der betroffenen Zone. Der kirgisische Premierminister reist in die Region und wird, laut der Nachrichten-Website 24.kg, während seiner Rede von fast 300 Demonstranten ausgepfiffen.
Am 22. März bricht das usbekische Außenministerium sein Schweigen und teilt mit, dass die kirgisische Armee von Land Besitz ergriffen habe, „das den usbekischen Bürgern gehört“. Dennoch wird die Zahl der Soldaten am 20. März von 20 auf acht Soldaten reduziert. Aus Protest kündigt der kirgisische Präsident Almasbek Atambajew an, dass er den Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit Ende Juni in Taschkent nicht besuchen würde. Die Geschichte nimmt schließlich am 26. März eine glückliche Wendung. Der beidseitige Rückzug kirgisischer und usbekischer Truppen wird vereinbart.
Nowruz, Ressourcen und Schmuggel
Wie lässt sich dieser Vorfall erklären? Zuerst kündigte Taschkent an, die Truppen eingesetzt zu haben, um die Sicherheit seiner Bürger während der Feierlichkeiten von Nowruz (Neujahrsfest) zu gewährleisten. Aber als die Feier vorbei war, hielten die Soldaten ihre Position.
Hinter dieser wenig überzeugenden Erklärung versteckt sich ein anderes Motiv: Schmuggel. Ein Tag vor der Entsendung von Truppen in die Nähe von Kerben hatte der usbekische Grenzschutz bekannt gegeben, einen unterirdischen Tunnel mit einer Länge von 120 Metern entdeckt zu haben. Der Tunnel verlief unter der kirgisischen Grenze in den Oblast von Batken.
Schmuggelware ist häufig die Ursache von Gewalt in der Gegend. Seit 2011 wurden laut der Informations-Website Zanoza fast 10 Menschen an der Grenze zwischen Usbekistan und Kirgistan getötet.
Die Frage des Zugangs zu Ressourcen, die im Fergana-Tal ohnehin sehr wichtig ist, spielt auch bei diesem Vorfall eine Rolle. Wie der Sprecher der kirgisischen Regierung im Bezug auf die Grenzfrage betont, könnten die Spannungen um Kerben etwas mit dem Reservoir Orto-Tokoiski (Kasansaiski Reservoir in Usbekistan, einige Kilometer von Kerben entfernt gelegen) zu tun haben. Dieser künstliche See, erbaut 1941, befindet sich seit dem Fall der UdSSR im Zentrum der Spannungen zwischen Kirgistan und Usbekistan. Die kirgisische Seite hält daran fest, dass das Reservoir ihr gehört, da es sich auf ihrem Territorium befindet. Als Grundlage dafür nennt Kirgistan eine Vereinbarung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Taschkent wiederum behauptet, dass diese Infrastruktur rechtmäßig zu Usbekistan gehöre, weil die Sowjetrepublik Usbekistan vollständig für deren Bau zuständig war.
Abgrenzung
Die alte Frage der Grenzziehung erscheint als der eigentliche Kern des Problems. „Es gab ein einziges sowjetisches Volk und unterschiedliche Nationalitäten. Niemand nahm diese Linie mit ihren Grenzsoldaten jemals ernst“, sagt der Historiker Ajdar Kurtov. „Das Ende der UdSSR führte zur Notwendigkeit, die Grenzen erstmals klar zu ziehen, was bis jetzt in vielen Staaten Zentralasiens noch nicht vollständig der Fall ist“. So sind 320 Kilometer der 1378 Kilometer langen Grenze zwischen Kirgistan und Usbekistan noch nicht eindeutig definiert. Usbekistan basiert seine Grenzführung auf einer Linie, die zwischen 1924 und 1927 festgelegt wurde, während Bischkek sich auf das Ergebnis eines gemeinsamen Ausschusses von 1955 bezieht – ein Ausschuss, der damals von den Abteilungen der usbekischen und kirgisischen Außenministen abgesegnet wurde.
Die Spannungen sind nicht nur Zeichen eines wiederauflebenden Nationalismus sondern berühren eine äußerst heikle Frage der Souveränität, die zwischen den ehemaligen Brüder-Republiken Zentralasiens regelmäßig diplomatische Beziehungen vergiftet. Eine positive Lösung ist jedoch nicht auszuschließen – sie könnte sogar durch solche Vorfälle gefördert werden. Am 24. März teilte der kirgisische Präsident mit, dass im Mai eine Vereinbarung über eine klare Definition der Grenze zwischen Kirgistan und Tadschikistan, ebenfalls eine sensible Spannungsquelle, unterzeichnet werden soll. Ist so ein Ergebnis auch mit Usbekistan abzusehen? Diese Frage bleibt offen.
Alina Ugay
Journalistin für Novastan in Bischkek
Aus dem französischen übersetzt von Vanessa Graf