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Frauenfußball in Kasachstan: Fußballerinnen im Interview

Der Frauenfußball in Kasachstan gewinnt erst langsam an Fahrt, doch die Spielerinnen beweisen den Zuschauer:innen regelmäßig ihre Stärke und Entschlossenheit. Sie zeigen mit ihrem Beispiel, dass ein Platz auf dem Spielfeld durch harte Arbeit und die Liebe zum Spiel bestimmt wird – nicht durch das Geschlecht. The Village sprach mit drei Fußballerinnen.

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Elmira im Trikot von Kasachstans Nationalmannschaft. Foto: privat

Der Frauenfußball in Kasachstan gewinnt erst langsam an Fahrt, doch die Spielerinnen beweisen den Zuschauer:innen regelmäßig ihre Stärke und Entschlossenheit. Sie zeigen mit ihrem Beispiel, dass ein Platz auf dem Spielfeld durch harte Arbeit und die Liebe zum Spiel bestimmt wird – nicht durch das Geschlecht. The Village sprach mit drei Fußballerinnen.

Tokjan

31, Qaırat Almaty

Ich spiele für Qaırat. Dieses Jahr sind wir zum ersten Mal in die 1. Liga aufgestiegen – und das ist ein großer Schritt. Früher gab es nur fünf Mannschaften in der Meisterschaft, jetzt sind es vierzehn. Das ist eine enorme Entwicklung für uns: Der Frauenfußball gewinnt endlich an Bedeutung und wird ernst genommen.

Vor meinem Wechsel zu Qaırat habe ich für Aqtöbe gespielt. Meine Liebe zum Fußball begleitet mich seit meiner Kindheit – alles begann mit meiner Familie. Mein Vater war Fußballspieler, und meine jüngeren Brüder spielten ebenfalls für Qaırat. Ich stand immer in der Nähe, wenn er ihnen Pässe und Tricks beibrachte, und ich ahmte sie nach. Ich war damals ungefähr zwölf Jahre alt. So bin ich vom Fußballfieber gepackt worden.

Vor dem Fußball habe ich Leichtathletik gemacht und ich glaube, daher kommt meine Schnelligkeit. Ich hatte Glück – meine Familie hat mich von Anfang an unterstützt. Sie haben mich zum Training gefahren, auf mich gewartet und mir geholfen. Ich habe mir nie Spielzeug zum Geburtstag gewünscht, nur Fußballschuhe und einen Ball – und diesen Wunsch haben sie mir immer erfüllt.

 „Fußball ist Männersache.“ – Ich weiß, dass dieses Klischee immer noch existiert. Aber ich schenke dem keine Beachtung. Sport ist für alle da. Und es ist schön zu sehen, dass sich die Einstellungen langsam ändern.

Irgendwann war ich einfach zu erschöpft und habe ein Jahr lang mit dem Fußball aufgehört. Training, Reisen, der Druck – das alles hat mich sehr belastet. Ich habe versucht, als Verkäuferin bei Saks Fifth Avenue zu arbeiten. Aber mir wurde schnell klar, dass mir das Team, der Platz, die Routine des Sports fehlten. Als sie mich anriefen und fragten, ob ich zurückkommen wolle, habe ich keine Sekunde gezögert.

Ich spiele momentan als Innenverteidigerin. Es hat lange gedauert, bis ich meine Position gefunden hatte: Ich habe sowohl als Stürmerin als auch im Mittelfeld gespielt. Die Umstellung war anfangs schwierig, aber jetzt fühle ich mich pudelwohl. Außenstehende denken vielleicht, Fußball sei ein einfaches Spiel. Aber das stimmt nicht. Jede Position hat ihre Tücken. Es erfordert nicht nur Schnelligkeit, sondern auch Spielintelligenz.

Ich bin mit 31 Jahren die Älteste im Team. Das bringt viel Verantwortung mit sich. Ich versuche immer, die Mädels zu unterstützen und vor den Spielen positiv zu denken. Im Fußball wie im Leben ist es am wichtigsten, nach einer Niederlage wieder aufzustehen. Das zeichnet eine echte Sportlerin aus.

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Für mich ist Fußball kein Hobby, sondern mein Hauptberuf. Mein ganzer Tagesablauf dreht sich um Training und Spiele. Disziplin ist auf und neben dem Platz unerlässlich.

Ich sehe keinen Sinn darin, Frauen- und Männerfußball zu vergleichen – das sind zwei völlig verschiedene Welten. Wir haben ein anderes Tempo, eine andere Technik, eine andere Energie. Manchmal hat man sogar den Eindruck, die Frauen spielen härter. Wir haben keine Angst vor dem Ball. Wir geben immer alles.

Ich wünsche mir mehr Aufmerksamkeit für uns – Übertragungen, Berichterstattung, Veranstaltungen. Im Moment erfahren die Leute nur durch Mundpropaganda von unseren Spielen. Aber ich glaube, das ist erst der Anfang. Später möchte ich Trainerin werden und Mädchen das Gefühl von Freiheit vermitteln, das der Platz schenkt.

Medina

18, Tomiris-Tūran Türkistan

Viele denken, dass Mädchen, die Fußball spielen, ihre Weiblichkeit verlieren. Aber das stimmt nicht. Auf dem Spielfeld sind wir einfach anders. Dort sind wir Kämpferinnen. Aber abseits des Spielfelds sind wir ganz normale Mädchen mit unseren eigenen Gewohnheiten, unserem eigenen Lachen und unserer eigenen Persönlichkeit.

Als Kind war mein Hobby das Tanzen. Eines Tages kamen Trainer an unsere Schule und suchten nach talentierten Mädchen für Fußball. Ich beschloss, es zu versuchen und bestand das Probetraining. So kam ich in die Biık-Akademie. Ich war damals elf Jahre alt. Meine Eltern waren anfangs dagegen, aber die Trainer schafften es, sowohl mich als auch sie für den Sport zu begeistern.

Viele tun sich immer noch schwer damit zu akzeptieren, dass Fußball nicht nur etwas für Jungs ist. Manchmal höre ich Sätze wie: „Du heiratest doch sowieso, wozu diese Bälle?“ Aber wir ignorieren solche Kommentare schon lange. Unsere Trainer betonen immer wieder: Wenn du mit Leidenschaft bei der Sache bist, dann sind die Meinungen der Gesellschaft kein Hindernis.

Im Frauenfußball gibt es weniger Konkurrenz als bei den Männern, aber das heißt nicht, dass alles einfach ist. Training, Trainingsplan, Spiele – all das ist gleichermaßen anspruchsvoll. Männer sind zwar von Natur aus widerstandsfähiger, aber das ist kein Grund aufzugeben. Man kann alles trainieren. Es ist manchmal schwierig für mich, die Spiele mit meinem Studium zu vereinbaren – die Spiele finden überall in Kasachstan statt. Aber Fußball hat für mich immer Priorität.

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Auf dem Platz ist es am wichtigsten, das Gesamtbild im Blick zu behalten. Man muss den Raum, die Mitspielerinnen und deren Position erfassen. Ich mag diesen Zustand: wenn das Spielfeld ein Teil von mir wird. Ich spiele als Rechtsverteidigerin. Ich liebe meine Position – sie passt perfekt zu mir. Im Fußball gibt es keine unwichtigen Positionen: Ohne Pass keine Flanke, ohne Flanke kein Tor. Alles hängt miteinander zusammen. Das Spiel beginnt lange vor dem Anpfiff. Alles wird im Training entschieden – dort wird jede optimal vorbereitet. Disziplin ist unerlässlich, aber das ist der Preis, den man für die Teilnahme am Spiel zahlt.

Als ich anfing, habe ich zu den älteren Spielerinnen aufgeschaut. Sie haben mich maßgeblich geprägt. Und jetzt verstehe ich, wie wichtig mentale Unterstützung ist. Spielerinnen sind in erster Linie Menschen. Manche kommen mit Kritik besser zurecht, andere brauchen mehr Zuneigung und Unterstützung. Nach Niederlagen ist es besonders wichtig, den Teamgeist nicht zu verlieren – ohne ihn funktioniert nichts.

Ich wünsche mir, dass die Stadien in Zukunft voll sind. Ich möchte, dass auch die Fans zu den Spielen der Frauen kommen. Jede Unterstützung gibt uns Kraft und lässt uns besser spielen. Wir stehen noch am Anfang unserer Reise, aber ich glaube fest daran, dass Frauenfußball in Kasachstan bald ein durchschlagender Erfolg sein wird.

Elmira

19, Qaırat Almaty und Kasachstanische Nationalmannschaft

Ich liebe Sport seit meiner Kindheit. Mit sechs Jahren fing ich an, mit den Jungs im Garten Fußball zu spielen. Anfangs wollten sie mich nicht im Team haben – „Du bist ja schließlich ein Mädchen.“ Aber mit der Zeit änderte sich alles: Ich erzielte Tore, spielte Pässe und zeigte, dass ich genauso gut spielen konnte wie sie.

Meine Eltern bemerkten meine Leidenschaft für Fußball und suchten nach einem passenden Verein für mich. So kam ich schließlich an die Maria-Yalova-Frauenfußballschule. Damals ahnte ich noch nicht, dass sie Jahre später meine Trainerin bei Qaırat werden würde.

Fußball hat mich sehr geprägt. Er lehrt mich Geduld, Konzentration und Ausdauer. Auf dem Platz gibt es harte Spiele, starke Gegnerinnen, Niederlagen – aber wie im Leben gilt: Wer hart arbeitet und nicht aufgibt, kann alles schaffen. Teamwork ist heilig. Auch wenn jeder sich beweisen will, muss das Team an erster Stelle stehen. Unsere Trainer sagen oft: „Ihr müsst wie ein Besen sein – zusammen seid ihr unzerbrechlich.“ Ich kann diese Philosophie voll und ganz nachvollziehen. Im Fußball darf man bis zum Schlusspfiff nicht aufgeben. Solange Zeit ist, gibt es immer eine Chance. Und solange der Ball rollt, ist das Spiel noch nicht vorbei.

Männer- und Frauenfußball sind wie zwei verschiedene Welten. Sie sind kräftiger, wir technisch versierter und mental stärker. Das heißt aber nicht, dass es für uns einfacher ist. Verletzungen, Reisen, Erschöpfung – alles dasselbe. Nach Verletzungen lernt man seinen Körper besonders zu schätzen: Man versteht, dass die Regeneration Teil des Spiels ist, nur eben eine andere Facette.

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Im Fußball ist es wichtig, ein Ziel zu haben. Ohne Ziel rennt man nur planlos auf dem Platz herum und entwickelt sich nicht weiter. Ich versuche, Schritt für Schritt vorzugehen – langsam, aber mit Zuversicht. Es gibt Zeiten, da ist es schwer, da scheint nichts zu klappen. Aber wenn man den Sport wirklich liebt, steht man trotzdem wieder auf und macht weiter.

Apropos Probleme: Eines der größten ist die mangelhafte Infrastruktur. Qaırat verfügt über hervorragende Bedingungen und ist vergleichbar mit europäischen Vereinen; dafür bin ich dankbar. Doch nicht alle Teams in Kasachstan haben solche Möglichkeiten. Letztendlich kommt es auf Investitionen und die Förderung des Frauensports an. Ich wünsche mir, dass alle gute Bedingungen vorfinden – dann wird sich das Niveau des Fußballs verbessern.

Aber ich spüre trotzdem, dass sich die Zeiten ändern. Dieses Jahr hat der Fußballverband einen großen Schritt getan – die Frauen-Premier-League ins Leben gerufen. Das ist ein historischer Moment. Und es ist ein Zeichen dafür, dass der Sport geschlechtsneutral ist. Es geht nicht um Geschlecht, sondern nur um die Liebe zum Spiel und harte Arbeit.

Weitere Fotos findet ihr im Originalartikel.

Aıjan Clambek für The Village

Aus dem Russischen von Robin Roth

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