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Kirgistan: Nationalflaggen verbrannt und ersetzt

In der Nacht zum 30. Mai wurden im Gebiet Dschalalabad mehrere Flaggen der Kirgisischen Republik abgenommen, verbrannt und dann durch „weiße Fahnen mit arabischen Aufschriften“ ersetzt. Zwei Verdächtige wurden festgenommen.

Kirgistans Nationalflagge (Symbolbild), Photo: Wikimedia Commons

In der Nacht zum 30. Mai wurden im Gebiet Dschalalabad mehrere Flaggen der Kirgisischen Republik abgenommen, verbrannt und dann durch „weiße Fahnen mit arabischen Aufschriften“ ersetzt. Zwei Verdächtige wurden festgenommen.

Im Dorf Bek-Abad in dem im Westen Kirgistans gelegenen Gebiet Dschalalabad sind in der Nacht zum 30. Mai kirgisische Flaggen verbrannt worden. Sie seien dann durch „weiße Fahnen mit arabischen Aufschriften“ ersetzt worden, berichtet das kirgisische Nachrichtenportal Kloop.

Zwei junge Frauen im Alter von 19 und 16 Jahren, die beide aus dem Dorf stammen, wurden von den Geheimdiensten festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, die Ideologie der extremistischen Organisation Hizb ut-Tahrir zu verbreiten. Zwei Familienangehörige eines der Mädchen sowie zwei Frauen, die im Verdacht stehen, extremistische Literatur zu verbreiten, wurden ebenfalls festgenommen.

Schulen als Ziel

Laut dem ehemaligen Vorsitzenden des Ausschusses für religiöse Angelegenheiten, Orosbek Moldalijew, ist es kein Zufall, dass die Täterinnen ein öffentliches Gebäude und Schulen angegriffen haben. Er erklärte gegenüber Radio Azattyk, dem kirgisischen Dienst von Radio Free Europe: „Auch wenn die Inschrift auf der Leinwand nicht zu Gewalt aufruft, deutet allein die Tatsache, dass sie die Staatsflagge entfernt und verbrannt haben, darauf hin, dass sie den Staat nicht anerkennen, und [dass sie] die Schule auffordern, dasselbe zu tun.“

Einige Anwohner:innen, die am Tag nach dem Vorfall befragt wurden, haben jedoch Zweifel an dieser Version und sind der Auffassung, dass es sich „um die Tat rücksichtsloser Kinder gehandelt haben muss“, was sich nach der Verhaftung der beiden jungen Frauen zu bestätigen scheint.

Der Experte Kanatbek Mursahalilow teilt diese Meinung: Für ihn handelt es sich um einen Protestakt junger Menschen auf der Suche nach Identität, welche sie in der Religion zu finden hoffen. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art: Bereits im Mai 2023 wurde die Flagge des Islamischen Staates in einer Schule in der Stadt Kysyl-Kyja im Gebiet Batken aufgehängt.

Die Gründe für diesen Vorfall

Nurlan Ismailov, Professor an der Ala-Too International University, erklärte gegenüber Radio Azattyk, dass dieses Ereignis nicht beispielhaft für die gesamte kirgisische Gesellschaft stehe. Dennoch komme es in bestimmten Regionen des Landes zu einer Radikalisierung – darunter auch im Bezirk Susak, in dem Bek-Abad liegt.

Ismailov sieht auch den Staat in der Verantwortung für solche Ereignisse, da dieser seiner Meinung nach „in den letzten zwei bis drei Jahren die Bildungsarbeit in jenen Gebieten geschwächt hat, in denen diese Organisationen am stärksten konzentriert sind“. Der Umstand, dass der Staat bestimmte Regionen des Landes im Stich gelassen und insbesondere Aufklärungskampagnen unter jungen Menschen eingestellt habe, habe das Wiederaufleben des radikalen Islamismus ermöglicht, welche in den letzten Jahrzehnten an Boden verloren hatte.

Zu hoher Druck

Der kirgisische Staat beansprucht für sich, säkular zu sein und Religionsfreiheit zu garantieren. Seit einiger Zeit verfolge er jedoch eine Politik, die von einem Teil der Bevölkerung als im Widerspruch dazu stehend empfunden wird, berichtet Radio Azattyk nach einem Gespräch mit dem Rat der Religionsgelehrten.

Nach Angaben der NGO Forum 18 müssen sich religiöse Organisationen registrieren lassen, um legal zu bleiben. Für Minderheiten, die weder der sunnitischen Mehrheit noch der orthodoxen Kirche angehören, stellt dies eine große Hürde dar.

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Darüber hinaus hat der Abgeordnete Scharapatkan Maschitow im November einen Gesetzentwurf eingebracht, der das Tragen der Burka und „voluminöser“ Bärte verbieten soll. Der Rat der Religionsgelehrten sieht darin einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit und die Ausübung des Islam.

Für Kanatbek Mursahalilow ist die Häufung solcher restriktiver Vorstöße nicht unbedingt positiv zu bewerten, denn ein Verbot werde das Problem nicht lösen. „Im Gegenteil: Es kann Bedingungen schaffen, die das Wachstum des Extremismus begünstigen. Es ist wie ein physikalisches Gesetz: Je höher der Druck, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer Explosion.“

Vladimir Przybylinski für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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