Am 27. Juni fand ein Gefangenenaustausch zwischen Teheran und Duschanbe statt. Ist dies ein Indikator für gute Beziehungen zwischen den beiden Nationen, oder nur eine Ausnahme aufgrund der schwierigen Zeiten? Betrachten wir das komplexe Verhältnis zwischen dem Iran und Tadschikistan genauer.
Der ehemalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinejad beschrieb den Iran und Tadschikistan einst als: „gleicher Geist, der zwischen zwei Körpern geteilt ist“. Wie die iranisch Nachrichtenagentur Mehr nun berichtet, tauschten beide Staaten zwei Gefangene aus. Weder über ihre Identität noch die Gründe ihrer Inhaftierung gibt es Informationen. Mitgeteilt wurde lediglich, dass der Austausch stattfand und, dass der zuständige iranische Beamte Mahmoud Abbasi einen weiteren Gefangenenaustausch mit Tadschikistan beabsichtigt.
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Diese Entscheidung ist allem Anschein nach nicht nur auf das gute Verhältnis zwischen den beiden Staaten zurückzuführen, sondern auch der aktuellen epidemiologischen Situation geschuldet. Der vom Coronavirus stark betroffene Iran verfolgt mit verschiedenen Gefangenenaustauschen eine Politik der diplomatischen Beschwichtigung einer Nachbarstaaten. Viele Länder der Region führen ihre Infektionsketten auf ein unzureichendes Krisenmanagement der Islamischen Republik zurück. In der selben Pressemitteilung betont die Nachrichtenagentur Mehr, dass weitere ausländische Gefangene in ihre Heimatländer China, Türkei, Aserbaidschan und Frankreich zurückgeführt wurden. Dies gilt auch für den inhafiterten französischen Akademiker Roland Marchal, der mit dem iranischen Ingenieur Jalal Ruhollahnejad ausgetauscht wurde und in seine Heimat zurückkehrt. Der Gefangenenaustausch des Irans mit Tadschikistan ist somit kein Einzelfall – trotzdem eröffnet sich einen Dialog zwischen Duschanbe und Teheran.
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Gefangenenaustausche werden momentan oft mit dem Schutz der Inhaftierten vor der Pandemie in den jeweiligen Ländern begründet. In einigen Staaten hatte das Coronavirus verheerende Auswirkungen in den Gefängnissen. Wie das tadschikische Medium Asia-Plus am 12. Juni berichtete, verstarben elf Gefangene und drei Wachen unter unklaren Bedingungen. Als Todesursache wird zwar nicht das Coronavirus genannt, dafür aber eine Lungenentzündung. Als bereits im April zwanzig Gefangene an plötzlichem Fieber litten, begründeten die Behörden dies damit, dass sie beim Fastenbrechen zu kaltes Wasser getrunken hatten. Ein weiteres, vielleicht sogar größeres Risiko sehen die Gefängnissleitungen darin, die Kontrolle über ihre Häuser zu verlieren. Die Inhaftierten sind wütend über die mangelnde Informationslage und, dass sie ihre Angehörigen nicht mehr sehen dürfen. Vielerorts scheinen sich Aufstände anzubahnen.
Diplomatische Kühlung zwischen Duschanbe und Teheran
Grundsätzlich scheinen der Iran und Tadschikistan prädestiniert für exzellente zwischenstaatliche Beziehungen. Sie verbindet die gemeinsame persische Sprache und eine allgemeine kulturelle Nähe, wie etwa während der beiderorts stattfindenden Feiertage zu Norouz (bzw. Navrus). Die Beziehungen der beiden Staaten begannen schließlich gut: Der Iran war 1991 der erste Staat, der nach der Auflösung der UdSSR eine Botschaft in Duschanbe eröffnete. Die neue Nationalflagge des unabhängigen Tadschikistans ähnelt nicht ohne Grund der iranischen.
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Nach dem guten Auftakt der iranisch-tadschikischen Diplomatie fand im Jahr 2013 ein erster Bruch zwischen beiden Ländern statt. In diesem Jahr fand der Korruptionsskandal um den iranischen Milliardär Babak Zanjani statt. Er behauptete, dass ein Teil seines erschlichenen Vermögens sich in der tadschikischen Nationalbank befände. Dies bestreitet Duschanbe vehement und weigert sich, Zanjanis Vermögen an den Iran abzutreten.
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Im Jahr 2015 fand die Gegenreaktion statt, als Tadschikistan die Partei der Islamischen Wiedergeburt als terroristische Vereinigung deklarierte. Muhiddin Kabiri, Vorsitzender der Partei, wurde daraufhin im Iran mit offenen Armen empfangen. Der oberste Führer des Iran Ayatollah Khamenei ließ sich für ein Foto persönlich mit Kabiri ablichten. Dies provozierte eine diplomatische Krise mit Tadschikistan.
Können sich der Iran und Tadschikistan nun wieder versöhnen?
Wie mit dem nun stattfindenden Gefangenenaustausch, gibt es mehrere Anzeichen dafür, dass Duschanbe und Teheran wieder aufeinander zugehen. So finanziert der Iran Infrastrukturprojekte in Tadschikistan, wie etwa den Istiqlol-Tunnel. Auch wenn er bereits seit 2003 im Bau ist, beschleunigten sich die Arbeiten ab 2019, als der Iran sich zu einer weiteren Finanzierung bereiterklärte.
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Dazu erhielt Tadschikistan zuletzt iranische Hilfen, um die Corona-Krise zu bewältigen. Wie Asia-Plus berichtet, wurden am 12. Mai sechs Tonnen Medikamente aus dem Iran nach Tadschikistan verschickt. Möglicherweise florieren die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nun bald wieder.
Héloïse Dross, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Shakibaie
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