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Von Radioaktivität bedroht: Das Dorf Kadschi-Saj

Das kleine Dorf Kadschi-Saj ist während der Sommersaison bei TouristInnen sehr beliebt. Nur drei Kilometer von den Häusern entfernt liegen jedoch radioaktive Abfälle. Novastan sprach mit Dscheenbek Kulenbekow, Associate Professor an der Fakultät für Umweltstudien der Amerikanischen Universität Bischkek, über die Situation vor Ort.

Sandstrand am See Issykköl

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Kadschi-Saj am Südufer des Issykköl ist eigentlich für seinen Sandstrand bekannt

Das kleine Dorf Kadschi-Saj ist während der Sommersaison bei TouristInnen sehr beliebt. Nur drei Kilometer von den Häusern entfernt liegen jedoch radioaktive Abfälle. Novastan sprach mit Dscheenbek Kulenbekow, Associate Professor an der Fakultät für Umweltstudien der Amerikanischen Universität Bischkek, über die Situation vor Ort.

Kadschi-Saj ist ein kleines Dorf im Osten Kirgistans. Am Ufer des Issykköl gelegen zieht es während der Sommermonate viele ausländische TouristInnen an. Aber die Umgebung ist nicht frei von Gefahren. Zwischen 1950 und 1991 wurde in Kadschi-Saj Uran gewonnen und die daraus resultierenden radioaktiven Abfälle werden heute in der Nähe einer ehemaligen Uranmine gelagert. In den 50er Jahren beschloss Moskau an zahlreichen Standorten in Kirgistan Uran für militärische und zivile Zwecke zu gewinnen.

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Mit dem Zerfall der UdSSR wurden die Minen geschlossen, aber die Frage der radioaktiven Abfälle ist noch lange nicht geklärt, auch nicht in Kadschi-Saj. Neben der Massenarbeitslosigkeit, die mit der Schließung der Mine einherging, ist das Dorf heute mit Gesundheits- und Umweltproblemen konfrontiert. Um die Situation besser zu verstehen, sprach Novastan mit Dscheenbek Kulenbekow, Associate Professor an der Amerikanischen Universität Bischkek. Der Wissenschaftler beschäftigt sich mit dem Dorf in seiner Forschung.

Novastan: Warum interessieren Sie sich für dieses Dorf?

Dscheenbek Kulenbekow: Ich habe meine Forschungen 2010 in Kadschi-Saj im Nordosten Kirgistans durchgeführt. Drei Kilometer von diesem kleinen Dorf entfernt wurde in den 1950er Jahren von den Sowjets eine Uranmine eröffnet. Die Uranproduktion hatte ebenso militärische wie zivile Ziele. Letztendlich wurde der Standort Kadschi-Saj 1967 geschlossen, weil er nicht rentabel genug war. Man konzentrierte die Kräfte in anderen Minen, wie in Min-Kusch im Gebiet Naryn oder Mailuu-Suu im Gebiet Dschalalabad.

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Die Abfälle sowie die Anlagen zur Uranverarbeitung, die alle radioaktiv sind, wurden in der Nähe der Miene gelagert, nur zwei Kilometer vom Issykköl und drei Kilometer von den Häusern entfernt. Sie gefährden die Umwelt und haben sehr negative Auswirkungen auf das Ökosystem und die Gesundheit der Menschen in der Umgebung.

Auf welchen Aspekt hat sich Ihre Arbeit konzentriert?

Meine Aufgabe war es, die Urankonzentration in Gewässern zu messen, deren Quellen in der Nähe radioaktiver Elemente liegen. Bei Niederschlägen gelangt das Regenwasser, das die Flüsse versorgt, in diese Abfälle und dringt in sie ein. Nach meinen Messungen liegt die Urankonzentration bei 260 Mikrogramm pro Liter Wasser. Eine solch hohe Konzentration liegt weit über den internationalen Standards von 15 Mikrogramm pro Liter und den von Kirgistan festgelegten Standards (20 Mikrogramm pro Liter, Anm. d. Red.).

Welche Folgen hat das für die Umwelt?

Es gibt keine Landwirtschaft in Kadschi-Saj. Das Land wird allerdings für die Viehwirtschaft genutzt. Zahlreiche Untersuchungen des medizinischen Instituts in Bischkek zeigen, dass die Tiere mehr an Krankheiten leiden als anderswo. Kühe zum Beispiel haben viel häufiger Herzanfälle.

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Die Luft, die durch wechselnde Winde gemischt wird, enthält auch radioaktive Strahlendosen. Im Jahr 2010 zeigten Messungen eine radioaktive Strahlenbelastung von 0,5 und 0,8 Millisievert pro Jahr (msv/Jahr). Die zulässige Norm beträgt jedoch lediglich 0,3 mSv/Jahr. EinwohnerInnen, die in der Nähe der alten Miene leben, sind wesentlich anfälliger für alle Arten von Tumoren oder Krebs.

Was ist in den Jahren nach der Schließung geschehen?

Am Standort wurden Sanierungsarbeiten durchgeführt. Aber einige BewohnerInnen haben die Zäune um die Deponie abgerissen, um das Material für ihre eigenen Häuser zu verwenden. Zwar wurde ein Schild aufgestellt, das vor den Gefahren des Gebiets warnte; dieses wurde jedoch von Einzelpersonen wieder abgerissen, wahrscheinlich, um TouristInnen nicht abzuschrecken. Darüber hinaus haben die meisten BewohnerInnen keine Einnahmequellen mehr gehabt, als die Miene geschlossen wurde. Lange Zeit haben die DorfbewohnerInnen trotz der Warnungen von Behörden oder WissenschaftlerInnen den Boden in der Nähe der Miene umgegraben, um Metall oder Aluminium zu entfernen.

Und heute?

Das russische Staatsunternehmen Rosatom führt zur Zeit Sanierungsarbeiten durch, bei denen Zäune um die Rückstände gebaut oder Kanäle errichtet werden, damit das Wasser aus den Niederschlägen nicht in die Abfälle eindringt. Es werden Forschungen zur Sanierung durchgeführt. Aber das setzt leistungsfähige Technologien voraus und ist daher sehr kostenintensiv.

Das Interview führte Roxane Poulain, Novastan-Korrespondentin in Bischkek

Aus dem Französischen von Robin Roth

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