EIN ORT IN ZENTRALASIEN. Im Herzen der usbekischen Hauptstadt thront inmitten eines vom berühmten Hotel „Usbekistan“, dem Timuriden-Museum und dem Kongresszentrum umrahmten Platzes ein riesiges, bronzenes Reiterstandbild Amir Temurs. Von diesem Platz – dem „Amir Temur Maidoni“ gehen die wichtigsten Straßen der Stadt ab.
Amir Temur (1336-1405), im deutschen Sprachraum auch als Tamerlan oder Timur Lenk bekannt, ist für das von ihm begründete Riesenreich berühmt. Dieses umfasste 27 Länder und reichte vom Mittelmeer bis nach Indien. Die nach ihm benannte Dynastie der Timuriden regierte fast 100 Jahre lang. Timur, dem seine Hauptstadt Samarkand ihren bis heute wahrenden Glanz verdankt, gilt als einer der Väter Usbekistans.
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Der „amir al-kabir“ (arabisch für „großer Fürst“) wird oft als Beschützer der Kunst und des Geistes, der Bildung und der Landwirtschaft dargestellt. Weniger gern erinnert sich die usbekische Geschichtsschreibung an seine Blutrünstigkeit: Seine Eroberungen forderten hunderttausende Opfer. Er war bekannt dafür, aus den Schädeln seiner Feinde Pyramiden zu errichten.
In Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, thront eine Statue Amir Temurs auf dem zentralen Platz der Stadt. Eine Art jenem Mann zu gedenken, der nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion im Jahre 1991 zu einem Nationalhelden stilisiert wurde.
Ein Platz und seine bewegte Geschichte
Der Platz, der 1870 angelegt wurde, hat eine bewegte Geschichte, die direkt mit der politischen Geschichte Usbekistans verknüpft ist. Ursprünglich als Park angelegt, wurde hier im sogenannten „Konstantinpark“ 1913 als Symbol der zaristischen Macht eine Statue des Generalgouverneurs Konstantin von Kauffmann errichtet. Mit der Machtübernahme der Bolschewiki 1917 bekam der Platz einen neuen Namen – Platz der Revolution – und auch ein neues Standbild – das Denkmal der freien ArbeiterInnen. Am 10. Jahrestag der Oktoberrevolution folgte dann 1927 eine Büste Wladimir Lenins, 1947 eine Stalin-Statue und nachdem letzterer in Ungnade gefallen war 1968 ein gigantischer Karl-Marx-Kopf. Die Statue Amir Temurs löste 1993, nach Erlangen der Unabhängigkeit, Marx ab und rehabilitierte den mittelalterlichen Tyrannen zu einem wahren Nationalhelden.
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2010 änderte der Platz erneut sein Aussehen, als der ehemalige Präsident Usbekistans Islom Karimov im Rahmen der Verschönerung Taschkents beschloss, die Dutzenden Platanen, die die Amir-Temur-Statue umgaben, fällen zu lassen. Heute bieten der Platz und seine Sträucher einen freien Blick auf die Statue.
Ein neuer Nationalheld
Amir Temur wird dargestellt, wie er seinen rechten Arm hebt. Diese Haltung war ihm aber aufgrund seiner Gesundheit unmöglich: Sein rechter Arm war verkrüppelt und auf dem linken Auge war er blind. Es geht vielmehr darum einen starken Mann ohne Schwäche zu zeigen.
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Tatsächlich wurde Amir Temur nach der Unabhängigkeit schnell zum Symbol des jungen Usbekistans erklärt. So wurde 1996 zum Jahr Amir Temurs erklärt, es wurde eine Amir-Temur-Medaille eingeführt, seine großen Bauten wurden restauriert, und 2011 wurden die Erinnerungen von Amir Temur mit einem Vorwort von Islam Karimov neu gedruckt. Zwei weitere monumentale Denkmäler wurden in Shahrisabz und in Samarkand errichtet. In jeder Stadt wurden Straßen nach ihm benannt und ein Museum, das 2006 in Taschkent eröffnet wurde, wurde ihm ebenfalls gewidmet.
Auriane Pichard
Aus dem Französischen von Robin Roth
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