Das kirgisische Parlament unterstützt die Gesetzesinitiative zur „Erarbeitung von Mechanismen zur Aufhebung der Immunität von Ex-Präsidenten im Falle von schweren Verbrechen“. Diese Initiative erfolgt in einer Zeit, in der die Gesellschaft über das Verhältnis des Staatsoberhaupts zum Ex-Präsidenten diskutiert. Radio Azattyk sprach hierüber mit dem Politologen und Zentralasienspezialisten John Heathershaw von der Universität Exeter. Wir übersetzen das Interview mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Azattyk: In Kirgistan lassen sich nach dem Machtwechsel ein paar Änderungen beobachten. Der Gegensatz zwischen dem aktuellen Präsidenten Sooronbaj Dscheenbekow und seinem Amtsvorgänger Almasbek Atambajew ist offensichtlich. Wie bewerten Sie die Ereignisse in Kirgistan aus Sicht des Politologen?
John Heathershaw: Aus Sicht des Politologen findet in Kirgistan eine Konsolidierung der neuen Macht statt. Ob dies eine autoritäre oder halbautoritäre Macht sein wird, wird sich etwas später zeigen.
Die Situation ist davon abhängig, inwieweit die Berater Atambajews verfolgt werden. Aber das zwischen Dscheenbekow und Atambajew ein Machtkampf läuft, ist offensichtlich.
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Meiner Meinung nach ist dies eine typische Erscheinung für Länder mit noch ungefestigter Demokratie, in denen eine Machtübergabe von einem Präsidenten an den nächsten stattfindet.
Das heißt, aus Ihrer Sicht kann man die Änderungen, die in Kirgistan stattfinden, nicht als Anzeichen von Demokratie werten?
Ich denke, dies ist ein Kampf zwischen Demokratie und Autokratie. Und ich denke, dass es von Dscheenbekow falsch war, Atambajew zu verfolgen. Weil diese Handlungen einen Präzedenzfall schaffen können, nach dem Muster „Wenn du freiwillig von der Macht abtrittst, kannst du alles verlieren“.
In demokratischen Gesellschaften geht ein Machtwechsel traditionell auf friedliche Weise vonstatten und der Präsident, der seinen Posten abgibt, gibt nicht alles preis – Geld, Freiheit und so weiter.
Ob Atambajew in Korruption und Verbrechen verwickelt war, wage ich nicht zu bewerten. Aber ich denke, dass es klug wäre, ihm die Möglichkeit zu geben ruhig zu leben. Man muss die Möglichkeit einer friedlichen Machtübergabe schaffen.
Aber sollte nicht das ehemalige Staatsoberhaupt dem Sieger der Präsidentschaftswahlen Dscheenbekow die Möglichkeit einräumen das Land zu führen?
Ja, meiner Meinung nach muss Atambajew Dscheenbekow die Möglichkeit geben sein Regierungssystem zu festigen und er sollte sich nicht einmischen, wenn der Präsident seine Leute in die Machtstrukturen einführt.
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Ich denke, Atambajew sollte verstanden haben, welch riskantes Spiel er angefangen hat. Von seiner Seite aus wäre es richtig Dscheenbekow die Möglichkeit zu geben der neue starke Mann im Staat zu werden.
Wenn der neue und der alte Präsident keine gemeinsame Sprache finden, wohin kann das dann führen?
Es gibt bestimmte Risiken. Eine solche Situation kann zu Zweifeln an der Existent von Stabilität führen. Es kann zu Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung führen und so weiter.
Aber angesichts dessen, was ich sehe, wird Dscheenbekow demonstrieren, dass die Macht in gewissem Ausmaß in seinen Händen ist. Es gibt jetzt einen neuen starken Mann im Büro des Präsidenten. Deswegen scheint mir, dass sich Dscheenbekows Position in den nächsten paar Monaten festigen wird. Wobei es natürlich immer schwierig ist, etwas in der Politik vorherzusagen.
Kubat Kasymbekow
Radio Azattyk
Aus dem Russischen von Robin Roth
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