Das Ferganatal macht vor allem mit seinen ethnischen und geopolitischen Spannungen Schlagzeilen. Die Region zwischen Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan ist aber ein Ort vielfältiger Kulturen. Novastan führt Sie von Dschlalalabad in Kirgistan bis Isfara in Tadschikistan durch dieses am dichten besiedelte Tal Zentralasiens.
In den Berglandschaften des Ferganatals mischen sich Völker und Geschichten. Werden der Region Artikel gewidmet, so geht es meist um interethnische Spannungen oder Grenzzwischenfälle. Zuletzt im Juni 2010, als es bei Ausschreitungen im südkirgisischen Osch zu über 470 Tote kam und 80 000 Menschen flüchteten.
Die Grenzen sind verwischt im Ferganatal, und an manchen Orten nicht offiziell definiert. Es gibt Dörfer, bei denen nicht klar ist, welchem Land sie angehören. Nicht zuletzt durch die vielen Grenzänderungen über das letzte Jahrhundert ist es vor allem eine Region voller kultureller, ethnischer und sozialer Vielfalt.
Dschalalabad befindet sich am Eingang des Tals im Süden Kirgistans, in der Nähe der usbekischen Grenze. Die Stadt ist bekannt für ihr mineralisiertes Wasser, das besondere Heilkräfte besitzen soll. Wie in den anderen Städten der Fergana-Region sind die Kirgisen in Dschalalabad nur eine Völkergruppe unter vielen, es leben dort etwa genauso viele ethnische Usbeken.
Osch ist die zweitgrößte Stadt des Landes, und trägt ein ganz anderes Gesicht als die Hauptstadt Bischkek. Sie ist deutlich älter, was sich in der Architektur wie auch in der Kultur widerspiegelt. In dieser Stadt, die zu 45% von Usbeken bewohnt ist, waren die Ausschreitungen im Juni 2010 am tödlichsten.
Zwischen Islam und Aberglaube
Diese Höhle befindet sich am Suleiman-Too Berg, dem Wahrzeichen von Osch. Gläubige strecken ihre Hand zu der Stelle, wo die Steine zusammenkommen: Ein Tropfen auf der Handfläche gilt als Glücksverheißung. Von einer weiteren Höhle am Berg wird gesagt, dass man in Mekka aufwacht, wenn man sich dort dort 40 Tage und 40 Nächte aufhält.
Der Islam ist im Süden Kirgistans konservativer als im Rest des Landes. Dazu kommt die unanfechtbare Autorität der Eltern, die vielen Jugendlichen vermeidlich jahrhundertealte Traditionen aufbürdet. So die Jungfräulichkeit vor der Hochzeit, oder zumindest ihre Wiederherstellung durch ein nachgenähtes Jungfernhäutchen. Nach der Hochzeitsnacht wird die Hochzeitswäsche in der Straße aufgehängt, voll Blut oder Scham.
Am südöstlichen Ende Kirgistans liegt die Region Batken, die ärmste des Landes. Die Bevölkerung lebt vor allem von der Aprikosenernte. Nur wenig sprechen Russisch: Weit weg von der Hauptstadt verlassen viele Einwohner ihre Region nur, um die ertragreichen Früchte nach Russland zu verfrachten.
In den meisten Dörfern des Südens gibt es kein laufendes Wasser. Man wäscht sich einmal in der Woche oder alle zehn Tage in der Banja, dem öffentlichen Bad.
Plow nach Familienrezept
Die Küche, Arbeitswelt der Frauen, liegt meistens draußen. Sie wird dann «Kara-Kazan» (schwarzer Topf) genannt. Von morgens bis abends sind die Frauen des Hauses mit Hausarbeit beschäftigt: Aufräumen, Putzen, und die Zubereitung von herzhaften Gerichten für die Familie.
Es heißt, im Ferganatal gebe es den besten Plow, ein Gericht auf der Grundlage von Reis, Zwiebeln, Möhren und Fleisch (Rind oder Schaf). In Bischkek unterscheidet man vor allem kirgisischen von usbekischem Plow. Im Süden hat jede Familie ihr Hausrezept.
Etwas weiter nordöstlich liegt das Dorf Kysyl-Bel, ein paar hundert Meter vor der tadschikischen Grenze. Der Grenzposten ist jeden Tag für ein paar Dutzend Migranten aus Tadschikistan der erste Schritt auf dem Weg nach Russland. Auf der kirgisischen Seite stehen jeden Morgen tadschikische Tagelöhner – eine günstigere Arbeitskraft als ihre kirgisischen Kollegen.
Auch dort gibt es kein fließendes Wasser, und die zentralen Wasserhähne werden jeweils nur alle zwei Tage angeschlossen.
Isfara, die nächstgelegene Stadt in Tadschikistan, ist voller Leben und Farbe. Als frühere Etappe der Seidenstraße ist sie eine der ältesten Städte der Region.
Im Gegensatz zu Batken sind fast alle des Russischen mächtig, ein Nebeneffekt der vielen tadschikischen Gastarbeiter in Russland.
Lesen Sie auch bei Novastan: Russlands Reize schwinden für tadschikische Migranten
Auch der Islam ist prägnanter als in Kirgistan. In Isfara stehen viele Moscheen persischen Anscheins. Frauen sind bis zu den Hand- und Fußgelenken bedeckt, aber der Hidschab ist für Studentinnen und Schülerinnen verboten, und der Staat greift bei einem allzu sichtbaren Islam seit kurzem stärker durch. Alkoholverkauf ist in der Stadt verboten, und sein Konsum wird stark kritisiert.
Ein paar Kilometer weiter nördlich zeigt eine ehemalige Kolchose am Eingang ein großes Porträt des Präsidenten Rahmon. Neben ihm schmücken die Bilder des Gründers des kollektiven Landwirtschaftsbetriebs und seiner Nachfolger die Wand.
Zu dem persischen Neujahr Noorus (20.-23. März in Tadschikistan) haben sich alle Mitarbeiter im Hof versammelt, um den «Sumalak» vorzubereiten. Dieses dickflüssige Gericht aus Weizen muss 24 Stunden lang Kochen, während denen es ständig gerührt wird. Man wirft Steine hinein, die anschließend als Talismane wieder herausfischt werden, nachdem man sich etwas gewünscht hat. Eine weitere lokale Tradition im vielschichtigen Ferganatal.
Die Redakion von Novastan.org