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Weniger Zwangsarbeit bei Baumwollernte in Usbekistan

Zwangsarbeit gibt es in Usbekistan immer noch, aber sie ist wenigstens nicht mehr systematisch organisiert, gab die Internationale Arbeiterorganisation (ILO) bekannt. Das ist gut, aber nicht ausreichend, meint Cotton Campaign. Novastan übersetzt den Artikel, der am 5. Februar 2021 auf Spot veröffentlicht wurde, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

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Arbeiter bei der Baumwollernte in Usbekistan
Arbeiter bei der Baumwollernte in Usbekistan

Zwangsarbeit gibt es in Usbekistan immer noch, aber sie ist wenigstens nicht mehr systematisch organisiert, gab die Internationale Arbeiterorganisation (ILO) bekannt. Das ist gut, aber nicht ausreichend, meint Cotton Campaign. Novastan übersetzt den Artikel, der am 5. Februar 2021 auf Spot veröffentlicht wurde, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

In ihrem Bericht gibt die ILO bekannt, dass die systematische Einsetzung von Kinder- und Zwangsarbeit in der Baumwollindustrie in Usbekistan ein Ende hat.

Dieser Bericht, der für die Weltbank angefertigt wurde, zeigt, dass 2020 jeder achte Mensch im arbeitsfähigen Alter an der Baumwollernte beteiligt war. Davon waren mehr als die Hälfte (65%) Frauen aus ländlichen Gegenden.

Als ich ein Kind war haben wir leider oft den Unterricht verpasst, weil wir bei der Baumwollernte waren“, sagt Dilshoda Shodmonova aus Chirchiq. „Dank der Reformen kann meine Tochter heute ohne Unterbrechung in die Schule gehen und Bildung erhalten. Das treibt mich an, mich weiter für das Arbeitsrecht einzusetzen.“

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Nach Angaben der ILO hat Usbekistan maßgeblichen Erfolg bei der Einhaltung grundlegender Arbeitsrechte auf den Baumwollfeldern erzielt. Mehr als 99% der ArbeiterInnen bei der Baumwollernte 2020 arbeiteten freiwillig. Die systematische Verpflichtung von Studierenden, Lehrkräften, ÄrztInnen sowie Krankenschwestern wurde vollständig eingestellt.

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Der Anteil der verpflichteten ErntehelferInnen verringerte sich um 33% im Vergleich zu 2019. Allerdings kommt es doch immer wieder vor, dass Menschen durch Drohungen zur Baumwollernte gezwungen werden.

Höherer Arbeitslohn

Im vergangenen Jahr war die grundlegende Mitovation der ErntehelferInnen die Möglichkeit, Geld zu verdienen. Im Durchschnitt arbeitete eine Person 21 Tage und verdiente 1,54 Millionen usbekische Sum. Damit verdiente man mehr als eine Lehrkraft im Land.

Eine große Anzahl an Familien ist direkt von der Baumwolle abhängig. 60% der ErntehelferInnen gaben an, dass die Arbeit ihre einzige Einnahmequelle ist. Die ILO merkt an, dass die usbekische Regierung die Löhne seit 2017 erheblich erhöht und eine differenzierte Lohnskala eingeführt hat, damit die ErntehelferInnen gegen Ende der Ernte mehr Geld erhalten, wenn die Bedingungen ungünstiger sind und weniger Baumwolle vorhanden ist. Das trug maßgeblich dazu bei, das die Zwangsarbeit verringert wurde.

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Weiter meint die ILO, dass der Wegfall der staatlichen Bestellung von Baumwolle im März 2020 eine Schlüsselrolle spielte. Dieses System, welches über einen Zeitraum von fast einem Jahrhundert ein fester Bestandteil der Wirtschaft war, förderte die systematische Verletzung von Menschenrechten und begünstigte Zwangsarbeit.

Zwangsarbeit ist nicht nur sozial und moralisch nicht vertretbar, sondern ist außerdem eine ernstzunehmende Verletzung der Menschenrechte und ein kriminelles Verbrechen in Usbekistan“, sagt Tanzila Narbaeva, die Vorsitzende des Senats und der Nationalen Kommission für Zwangsarbeit und Menschenhandel. „Um das Verhalten zu ändern, muss die Denkweise der Menschen geändert werden. Das können wir erreichen, wenn wir alle zusammenarbeiten.“

Es ist nicht so einfach

Die Strategie des Staates besteht darin, mehr Textilien und weniger Rohstoffe zu exportieren. Dafür müsste der Baumwollverkauf reduziert werden und mehr Waren mit höherem Wert gefertigt werden.

„Diese Reformen sollten weiterhin von der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden“, sagte Jonas Astrup, technischer Chefberater der IAO des externen Monitoringprojekts.

In Übereinstimmung mit den Daten von Cotton Campaign besteht jedoch ein Problem darin, dass Gebiete in Cluster zusammengelegt werden und damit in Kooperationen mit Unternehmen der vertikal integrierten Produktion. In jedem Gebiet ist nur ein Cluster aktiv. Deshalb haben die Bauern keine Wahl mit wem sie einen Vertrag schließen und können deshalb auch keinen Einfluss auf die Preise von Baumwolle und Wasser nehmen.

Bekannt ist mindestens ein Fall, bei dem ein Bauer von den örtlichen Behörden die Antwort erhielt, dass es keine Wahl gibt, außer mit dem örtlichen Cluster zusammenzuarbeiten. Der Bauer hatte versucht, eine unabhängige Genossenschaft zu gründen. Bauern, die sich weigern Baumwolle anzubauen, verlieren ihr Land.

Außerdem gibt die Regierung Land der kleinen und mittelgroßen Bauern für die unmittelbare landwirtschaftliche Bewirtschaftung ab, was verheerende Folgen für den Lebensunterhalt von Menschen in ländlichen Gebieten hat.

Einige Bauern werden als ArbeitnehmerInnen in den Clustern angestellt. Dadurch verlieren sie und ihre Angestellten die Möglichkeit Futterpflanzen anzubauen, Tiere weiden zu lassen und getrocknete Halme zu sammeln, die zum Heizen und als Tierfutter unerlässlich sind. Andere verlieren ihren ganzen Lebensunterhalt .

Anstatt das Ausnutzungsmodell der Regierung zu einem Ausnutzungsmodell durch die Cluster zu ändern, wäre es besser, ein Modell zu etablieren, in dem auf die verantwortungsbewusste Suche der Lieferanten gesetzt wird, und welches den angreifbaren ArbeiterInnen bessere Möglichkeiten zum Schutz ihrer Arbeitsrechte bietet“, sagt Cathy Feingold, Direktorin der internationalen Abteilung von AFL-CIO.

Uzbek Forum for Human Rights, Сotton Сampaign und andere Organisationen berichteten über eine deutliche Verbesserung der Situation im Jahr 2020, wobei sie, im Unterschied zur ILO, bislang nicht das Ende von Kinder- und Zwangsarbeit verkünden wollen. Das Land sei jedoch der Beendigung des Boykotts nähergekommen.

Marken(-firmen) wollen ihre Waren aus Ländern mit einer starken und unabhängigen Zivilgesellschaft beziehen, die ein günstiges Umfeld für strenge Überwachung und Durchsetzung von Supply-Chain-Standards schaffen können“, heißt es in einem Artikel der Cotton Campaign.

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Für Bauern und Landarbeiter gibt es keine unabhängigen Gewerkschaften oder Organisationen, die ihre Interessen vertreten, kollektive Gespräche ermöglichen oder sie verteidigen könnten. 

Die Сotton Сampaign fordert, dass die usbekische Regierung in diesem Jahr erlaubt, dass sich unabhängige NGOs registrieren dürfen, damit das Land den internationalen Menschenrechtsstandards und die Erwartungen der internationalen Partner des Landes, einschließlich Marken(-firmen) und Investoren, erfüllt.

Im Original auf Spot
Aus dem Russischen von Katharina Nordhaus

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