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Verhandlungen zwischen der EU und Turkmenistan: Und die Menschenrechte?

Turkmenistan ist das unfreieste Land Zentralasiens und befindet sich in vielen einschlägigen Rankings in der unteren Tabellenhälfte. In der Rangliste der Pressefreiheit 2015 nimmt es Platz 178 ein, gefolgt von Eritrea und Nordkorea. Im letzten Landesbericht von Freedom House erhält es mit 7 von 100 möglichen Punkten die niedrigste Gesamtnote. Dennoch zögern ausländische Firmen - insbesondere französische - nicht, sich dort zu etablieren, und schließen dabei die Augen vor permanenten Menschenrechtsverletzungen.

Aschgabat Feier
Aschgabat Feier

Turkmenistan ist das unfreieste Land Zentralasiens und befindet sich in vielen einschlägigen Rankings in der unteren Tabellenhälfte. In der Rangliste der Pressefreiheit 2015 nimmt es Platz 178 ein, gefolgt von Eritrea und Nordkorea. Im letzten Landesbericht von Freedom House erhält es mit 7 von 100 möglichen Punkten die niedrigste Gesamtnote. Dennoch zögern ausländische Firmen – insbesondere französische – nicht, sich dort zu etablieren, und schließen dabei die Augen vor permanenten Menschenrechtsverletzungen.

Im Mai 2015 kündigte der europäische Energiekommissar Maros Sefcovic bei einem Besuch in Turkmenistan an, dass 2019 Gaslieferungen in die EU beginnen würden. Die Idee, eine Pipeline von Turkmenbaschi nach Baku zu bauen, um den europäischen Markt zu beliefern, stammt aus dem Jahr 2011. Neuen Aufschwung bekam sie durch die Ukraine-Krise, die Europa dazu bringt, seine Energieimporte zu diversifizieren.

Es wurden in diesem Jahr wieder intensive Verhandlungen zu dem Projekt aufgenommen, nachdem sie lange durch die schwierige Einteilung des Kaspischen Meers behindert wurden. Insbesondere Russland und der Iran hatten sich bisher dem Bau einer Pipeline durch das Meer entgegengestellt. Die im April angekündigte Aufhebung der westlichen Sanktionen gegen den Iran verspricht, das Verfahren zu erleichtern. Demnach könnte das turkmenische Gas über den Iran und Aserbaidschan das TANAP-TAP Netzwerk, und schließlich Europa erreichen.

Europe Turkmenistan gas negotiations

2015 müsste Turkmenistan, das Land mit den viertgrössten Gasreserven der Welt, etwa 80 Milliarden m3 kommerzielles Gas produzieren. Bislang ist der Export turkmenischen Gases vor allem in chinesischer Hand.Das Land bemüht sich darum, seinen Exportmarkt zu vergrößern, und findet in den europäischen Bestrebungen, ihren Import zu diversifizieren, eine willkommene Möglichkeit.

Wäre da nur nicht die Frage der Menschenrechte. Beim siebten EU-Kirgistan Menschenrechtsdialog in Aschgabat am 16. und 17. Juni 2015 wurden erstmals besonders sensible Punkte angesprochen. Es ging insbesondere um Folter und das Verschwinden von Gefangenen in der Haft.

Anfang Juni drückte auch der UNO Generalsekretär Ban Ki Moon während einer Konferenz in der turkmenischen Hauptstadt offen seine Sorgen aus. Er beobachte „eine Verschlechterung bestimmter Menschenrechtsaspekte und ein Schrumpfen des demokratischen Raumes“. „Die Unfähigkeit, Menschenrechte zu achten, verantwortliche Institutionen zu bauen, politische Partizipation zu fördern und allen eine Chance zu geben, spaltet die Gesellschaft. Und diese Spalten sind ein nahrhafter Boden für Extremisten,“ fügte er hinzu. Seine Worte verließen allerdings nicht den Raum, und wurden nicht von der lokalen Presse zitiert.

Ein paar Tage zuvor trat der Journalist Osmankully Hallyev zurück, nachdem er seit 2006 für RFE/RL aus Turkmenistan berichtet hatte. Der Grund: eine „nie dagewesene Einschüchterungskampagne“ gegen ihn.

Wird Europa, wie manche Privatunternehmen, lange die Augen vor dieser Lage verschließen können? Im Rahmen der Verhandlungen rund um den Gasexport fordern immer mehr Organisationen, dass die EU sich stärker für Menschenrechte einsetzt und der turkmenischen Regierung konkrete Forderungen stellt.

Ein Bericht der Turkmen Initiative for Human Rights (THR) und des International Partnership for Human Rights bietet einen Überblick über die Lage der Menschenrechte in Turkmenistan.

Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen

Trotz der Entwicklung der Gesetzeslage gibt es keinen wahren Fortschritt. Der Präsident hat direkte Kontrolle über alle Medien, und der Zugang zu ausländischen Medien ist stark begrenzt.

Satellitenschüsseln Antennen Turkmenistan

Zeugen und journalistische Quellen werden oft bedroht, sowie Dokumente beschlagnahmt.

Auch der Internetzugang wird willkürlich und nach unklaren Kriterien begrenzt. Dabei haben weniger als 10% der Bevölkerung überhaupt einen Internetzugang.

Zivilgesellschaft

Die obligatorische Anmeldung und strenge Kontrolle aller Vereinen und Vereinigungen behindert ihre Aktivitäten. Öffentliche Versammlungen sind strikt geregelt.

Es gibt drei politische Parteien in Turkmenistan, die alle dem Präsidenten treu sind.

Die wenigen unabhängigen Journalisten werden von den Behörden ständig bedroht, belästigt und misshandelt. Es gab kürzlich noch Fälle von willkürlichen Festnahmen, inoffiziellen Inhaftierungen, Folter und Mord an Journalisten.

Rechtsstaat und Minderheitenrechte

Der Präsident Berdimuhamedow festigt seine Macht. Bei den Präsidentschaftswahlen 2012 wurden 97% der Stimmen von außenstehenden Beobachtern als gefälscht gemeldet. Der Personenkult wurde in den letzten Monaten weiter geschürt, bis hin zu dem Bau einer riesigen Goldstatue des Präsidenten.

Das Justizsystem ist weder unabhängig noch transparent. Viele werden aus politischen Gründen inhaftiert. Manche politischen Gefangenen werden vermisst.

Turkmenistan ist eines der korruptesten Länder der Welt (169 von 175 laut Transparency International).

Das Bildungswesen verschlechtert sich, und nicht mehr alle Kinder haben Zugang zur Schule. Minderjährige werden massenhaft für öffentliche Feste oder Arbeiten mobilisiert.

Viele Personen, die ethnischen Minderheiten angehören, sind staatenlos.

Die Religionsfreiheit wird nicht respektiert: religiöse Minderheiten sind verboten und viele Razzien unterbrechen ihre Veranstaltungen. Unter dem Vorwand einer Bedrohung durch den Islamischen Staat hat der Staat eine strengere Kontrolle von Imamen eingeführt.

Interne Migrationen sind schwierig und unterliegen der Willkür der Behörden.

Bei der Stadtgestaltung werden viele Familien im Namen einer harmonischen Architektur ohne Entschädigung zwangsumgesiedelt.

Der Staat versucht, die „moralischen Standards“ zu stärken und die „traditionellen Werte“ zu wahren, was zu erzwungenen Eids, Untersuchungen und Festnahmen führt.

Die Redaktion von Novastan

 

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