Die Pläne für die Verfassungsänderung in Turkmenistan wurden veröffentlicht. Es soll die bereits abgeschaffte zweite Parlamentskammer wiedereingerichtet werden. Ebenso wird der Ruhestand des derzeitigen Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow skizziert.
Der im vergangenen Herbst angekündigte Entwurf einer Verfassungsänderung wurde am 24. Februar von den offiziellen Nachrichtenagenturen Turkmenistans veröffentlicht. Die Agentur TDH sieht die Reformen als Weg der Demokratisierung des Landes. Es werde sich einem Verfassungsmodell angenähert, das mit der Wiedereinrichtung des „Halk Maslahaty“ (Volksrat) dem Zweikammernsystem Frankreichs ähnele.
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Die veröffentlichten Maßnahmen sehen jedoch eher nach einem Machtausbau auf Lebenszeit für den amtierenden Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow aus. Ihm werde mit den Verfassungsänderungen erlaubt, „im Sterbefall oder bei schwerer Krankheit“ seinen Nachfolger persönlich auszuwählen. In Anbetracht der steilen politischen Karriere seines Sohnes Serdar Berdimuhamedow ist dies besonders interessant. Novastan fasst hier zusammen, was ihr über die Verfassungsänderung in Turkmenistan wissen müsst.
Die Wiedereinrichtung des Volksrats
Der bereits 2017 wiedereingeführte Volksrat wurde in der Amtszeit des ersten Präsidenten Saparmyrat Nyýazow (1990-2006) insbesondere zur Umsetzung kontroverser Gesetzgebungen eingesetzt. Nach dessen vorrübergehender Auflösung gingen in den letzten Jahren schwierige Entscheidungen, wie die Abschaffung kostenloser kommunaler Dienstleistungen, den Weg über den Volksrat.
Mit der kommenden Verfassungsänderung wird der neue Volksrat aus 56 Abgeordneten bestehen, die über fünf Jahre gewählt werden. Jede Provinz des Landes wählt über indirektes Wahlrecht acht Abgeordnete in den Volksrat, fünf weiterer die Hauptstadt Aschgabat. Darüber hinaus ernennt der Präsident persönlich acht weitere Ratsmitglieder.
Ehemalige Staatsoberhäupter werden auf Lebenszeit in den Volksrat berufen
Scheidende Präsidenten werden nach ihrer Amtszeit in den Volksrat übergehen. Laut dem russischen Medium Fergana sah die bisherige Verfassung keine anschließende Position für ehemalige Staatsoberhäupter vor. Darüber hinaus wird geplant, dass der Vorsitzende des Volksrats in geheimer Abstimmung gewählt wird und in als Stellvertreter des Präsidenten dient.
Ebenso verbietet die neue Verfassung die Anhäufung von Posten. Ein Mitglied der zweiten Parlamentskammer kann nicht gleichzeitig die Position eines Ministers, Hokims, Richters oder Staatsanwalts bekleiden.
Vorbereitungen der Nachfolge
Die politische Karriere des Präsidentensohns Serdar Berdimuhamedow nimmt weiterhin an Fahrt auf. Innerhalb kürzester Zeit stieg er vom stellvertetenden Außenminister zum Gouverneur der Hauptstadt auf und wurde schließlich im Februar 2020 zum Minister für Industrie und Bauwesen ernannt.
Mehrere Medien, wie etwa Fergana, stellen die Hypothese auf, dass mit den anstehenden Verfassungsreformen sowohl die Zukunft des Präsidenten Gurgbanguly Berdimuhamedow , als auch die Amtsübergabe an seinen Sohn geklärt werden soll.
Die achte Verfassungsreform seit der Unabhängigkeit
Es ist nicht das erste Mal, dass die turkmenische Verfassung bearbeitet wird. Während der Amtszeit von Saparmyrat Nyýazow wurden in den Jahren 1995, 1999, 2003 und 2006 insgesamt vier Reformen verabschiedet. Nach den Reformen von 2008, 2016 und 2017 unter Gurbanguly Berdimuhamedow ist die diesjährige Verfassungsänderung die insgesamt achte.
Im Jahr 2008 wurde der Volksrat abgeschafft, was Turkmenistan zu einem Einkammersystem machte und die Position des Staatspräsidenten stärkte. Die letzten zwei Verfassungsänderungen erlaubten Gurbanguly Berdimuhamedow seine Macht auszubauen, indem die Amtszeit des Präsidenten verlängert und die bisher bestehende Altersgrenze aufgehoben wurde.
Französisches Unternehmen baut zweite Parlamentskammer
Schon im Oktober letzten Jahres berichtete Novastan France darüber, wie das französische Unternehmen Bouygues für den Bau der zweiten Parlamentskammer Turkmenistans beauftragt wurde. Die Arbeiten hierfür wurden inzwischen begonnen. Der Nachrichtenagentur TDH zufolge, hat Präsident Berdimuhamedow im Beisein eines Vertreters von Bouygues das Gelände besichtigt.
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Es ist nicht das erste Mal, dass ein französisches Unternehmen für den Bau eines turkmenischen Regierungsgebäudes beauftragt wurde. Bouygues erbaute bereits das Gebäude der Präsidialverwaltung und die Firma Vinci jenes des Regierungskabinetts.
Agathe Guy, Redakteurin von Novastan France
Aus dem Französischen von Robin Shakibaie
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