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Wie HIV-positive Frauen in Tadschikistan diskriminiert werden

Frauen, bei denen eine HIV-Infektion diagnostiziert wurde, gehören zu den am stärksten diskriminierten Gruppen in Tadschikistan. Sie werden von der gesamten Gesellschaft gemieden, auch von ihren engsten Verwandten. Obwohl diese Frauen in den meisten Fällen kein Gesundheitsrisiko für andere darstellen, haben sie Schwierigkeiten, einen festen Arbeitsplatz zu finden und erhalten keine medizinische Versorgung.

Frauen, bei denen eine HIV-Infektion diagnostiziert wurde, gehören zu den am stärksten diskriminierten Gruppen in Tadschikistan. Sie werden von der gesamten Gesellschaft gemieden, auch von ihren engsten Verwandten. Obwohl diese Frauen in den meisten Fällen kein Gesundheitsrisiko für andere darstellen, haben sie Schwierigkeiten, einen festen Arbeitsplatz zu finden und erhalten keine medizinische Versorgung.

Anlässlich der internationalen Kampagne „16 Tage Aktivismus gegen geschlechtsspezifische Gewalt“ hat Asia-Plus ein besonderes Projekt gestartet, bei dem Frauen aus Tadschikistan über die Diskriminierung sprechen, der sie ausgesetzt sind.

In Tadschikistan gibt es eine Reihe von Gesetzen und Dokumenten, die direkt oder indirekt die Diskriminierung von Menschen mit HIV verhindern sollen. Im vergangenen Jahr wurde ein weiteres Gesetz „zur Förderung der Gleichberechtigung und Bekämpfung jeglicher Diskriminierung“ verabschiedet. Zur Freude der Menschenrechtsaktivist:innen wurde darin das Konzept der „indirekten Diskriminierung“ eingeführt, mit dem die gefährdeten Gruppen in Tadschikistan am häufigsten konfrontiert sind. Frauen mit HIV hilft diese wichtige Beschreibung im Gesetz jedoch nicht, denn sie sind die Gruppe, die im Alltag direkt diskriminiert wird.

Diskriminierung trotz Therapie

„Obwohl HIV im alltäglichen Zusammenleben nicht übertragen wird und die moderne antiretrovirale Therapie (ART) die Viruslast minimiert, wird eine HIV-infizierte Frau auf Schritt und Tritt diskriminiert, vor allem in der Familie. Sobald bekannt wird, dass sie HIV-positiv ist, schränken die Verwandten den Kontakt zu ihr ein und meiden sie. Mit der Zeit wird sie überall dort gemieden werden, wo ihre Erkrankung bekannt wird“, sagt Tachmina Chajdarowa, Leiterin des Netzwerks HIV-positiver Frauen.

Seltsamerweise, so Chajdarowa, klagen HIV-positive Frauen oft über Diskriminierung durch medizinisches Personal: in Zahnarztpraxen, der Chirurgie, der Gynäkologie etc. Die Ärzte weigern sich, Frauen mit HIV zu helfen, weshalb diese über Bekannte professionelle und geschulte Fachärzt:innen finden müssen.

„Die moderne Medizin hat alle Risiken eliminiert: HIV ist heute eine chronische Krankheit wie Diabetes mellitus. Frauen mit HIV können dank einer adäquaten ART-Therapie und medizinischer Betreuung gesunde Kinder zur Welt bringen. Doch selbst Mediziner:innen verfügen oft nicht über aktuelle Informationen“, erklärt Tachmina Chajdarowa. „Auch lokale Journalist:innen diskriminieren Frauen mit HIV. Die Berichterstattung über Frauen mit HIV enthält oft eine abwertende Sprache. Die Medien verbreiten Stereotypen, tragen zur Stigmatisierung bei und erklären der Öffentlichkeit nicht, was HIV eigentlich ist. In der Berichterstattung lokaler Journalist:innen finden sich bis heute Ausdrücke wie ‚HIV/AIDS ist die Epidemie des 21. Jahrhunderts‘, ‚HIV-Terror‘ und andere ähnliche Äußerungen, die nicht der Realität entsprechen.“

Diese Art einschüchternder Sprache findet sich auch häufig in Berichten über strafrechtliche Verfolgungen (Art.125 des tadschikischen StGB) von HIV-positiven Frauen wieder, die angeblich absichtlich Männer infiziert hätten.

Kriminalisierung und Strafverfolgung

„Der erste Teil des Artikels 125 des tadschikischen StGB kann auf alle diskordanten (wenn ein:e Partner:in HIV-positiv und der/die andere HIV-negativ ist) Partnerschaften angewendet werden. In diesem Teil heißt es: ‚eine andere Person wissentlich dem Risiko einer HIV-Infektion aussetzen‘, d.h. es geht nicht um die tatsächliche Infektion, sondern um das Risiko einer Infektion. Und jeder HIV-positive Mensch, der eine:n Sexualpartner:in hat, setzt diese:n angeblich dem Risiko einer Infektion aus. Doch das stimmt nicht“ ,sagt Chajdarowa: „Wenn jemand eine ART-Therapie macht, sinkt seine/ihre Viruslast, und auch bei ungeschütztem Sex steckt sich der/die Partner:in nicht mit HIV an.“

Bei der Internationalen Konferenz zur HIV-Forschung, die vom 23. bis 26. Juli in Brisbane, Australien, stattfand, hat die Weltgesundheitsorganisation neue wissenschaftliche und politische Empfehlungen zu HIV vorgelegt. Sie fassen die wichtigsten Grenzwerte für die HIV-Viruslast zusammen. So übertragen HIV-positive Menschen, die unter ART-Therapie eine nicht nachweisbare Viruslast erreicht haben, HIV nicht auf ihre Sexualpartner:innen und haben ein geringes Risiko der vertikalen Übertragung auf ihre Kinder.

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„Viele spektakuläre Strafverfahren wurden in Tadschikistan auf der Grundlage des ersten Teils von Art. 125 StGB eingeleitet. Jedoch hat sich in Wirklichkeit keines der vermeintlichen Opfer mit HIV infiziert“, sagt Tachmina Chajdarowa; HIV-positive Frauen seien weitaus häufiger von Diskriminierung betroffen als Männer. Die Gesellschaft geht immer noch davon aus, dass eine HIV-positive Frau eine Frau mit vielen Sexualpartner:innen ist. Statistiken zeigen jedoch, dass nur 1,7 Prozent der HIV-positiven Frauen in Tadschikistan Sexarbeiterinnen sind. Der Rest sind meist Hausfrauen, die sich bei ihren Ehemännern angesteckt haben.

„Kürzlich kam eine HIV-infizierte Frau zu uns. Sie war verheiratet, hatte ein Kind und wurde von ihrem Mann brutal geschlagen. Selbst während der Schwangerschaft schlug er sie so heftig, dass sie ihr zweites Kind verlor“, erzählt Chajdarowa. „Obwohl ihr Mann sie mit HIV infiziert hatte, gab seine Familie der Frau die Schuld. Die Frau nahm ihr Kind und verließ ihren Ehemann, mietete ein Zimmer und nahm eine Berufstätigkeit auf. Ihr Ex-Mann nahm ihr daraufhin das Kind weg und drohte ihr, die elterlichen Rechte zu entziehen. Sie sei HIV-positiv, habe keine Ausbildung und nur ein geringes Gehalt, von dem sie das Kind nicht ernähren könne.“

Angesichts der Tatsache, dass tadschikische Frauen auch ohne HIV häufig von der Justiz benachteiligt werden, ist ungewiss, ob das Gericht diese Ungerechtigkeit in dem obigen Fall erkennt, bei dem der Ehemann Mann versucht, die Erkrankung seiner Ex-Frau zu nutzen, um ihr die elterlichen Rechte zu entziehen.

Asia Plus

Aus dem Russischen von Usmon Rakhmonov

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