Startseite      „Jetzt darf ich das Kopftuch wie eine traditionelle Tadschikin tragen“ – Drei Geschichten von Frauen in Tadschikistan

„Jetzt darf ich das Kopftuch wie eine traditionelle Tadschikin tragen“ – Drei Geschichten von Frauen in Tadschikistan

Tadschikistan hat im Juni das Tragen von „der tadschikischen Kultur fremder Kleidung“ verboten. Dies betrifft insbesondere islamische Kleidung wie den Hidschab. Die Entscheidung führte zu Debatten darüber, ob die Maßnahme die Situation für Frauen verschlechtern oder verbessern könne. Asia Plus erzählt hier die Geschichten dreier Frauen, die den Hidschab unfreiwillig trugen und nun froh über das neue Gesetz sind.

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Frauen mit tadschikischem Kopftuch (Symbolbild), Foto: Wikimedia Commons

Tadschikistan hat im Juni das Tragen von „der tadschikischen Kultur fremder Kleidung“ verboten. Dies betrifft insbesondere islamische Kleidung wie den Hidschab. Die Entscheidung führte zu Debatten darüber, ob die Maßnahme die Situation für Frauen verschlechtern oder verbessern könne. Asia Plus erzählt hier die Geschichten dreier Frauen, die den Hidschab unfreiwillig trugen und nun froh über das neue Gesetz sind.

Das neue Gesetz sorgte sofort für hitzige Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Einige halten es für übertrieben bzw. kontraproduktiv, da es das Risiko berge Frauen aus traditionellen Familien noch weiter zu isolieren: In öffentlichen Einrichtungen ist das Tragen des Hidschabs schon seit einigen Jahren verboten, weshalb einige Familien beispielsweise den Schulbesuch nur bis zur obligatorischen 9. Klasse erlauben. Manche Frauen sehen sich aus demselben Grund auch gezwungen ihre Arbeit aufzugeben. (Anm. d.Ü.)

Andere hingegen begrüßen das Gesetz als Chance für diejenigen Frauen, die bislang durch männliche Familienmitglieder zum Tragen des Hidschabs gezwungen wurden und sich nun besser dagegen wenden könnten.

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Auch wenn unterschiedliche Meinungen existieren, sprechen sich nur wenige offen für das Gesetz aus. Möglicherweise trauen sich Befürworter:innen aber auch nicht an die Öffentlichkeit, aus Angst davor, von der  der Gesellschaft verurteilt zu werden.

Hier sind drei Geschichten von Frauen, die von dem Gesetz profitieren.

Lola

Lola ist 29 Jahre alt. Schon immer bevorzugte sie europäische Kleidung und war überzeugt, dass man Spiritualität nicht durch äußere Merkmale definieren sollte. Nach ihrer Heirat zwang ihr Mann sie jedoch, den Hidschab zu tragen. Das stellte Lola vor ein Problem: ihr Mann verlangte von ihr das Kopftuch zu tragen, aber das durfte sie weder an der Universität noch am Arbeitsplatz. Sie stand sowohl bei der Arbeit als auch zu Hause unter Druck.

Als Tadschikistan das neue Gesetz verabschiedetet hatte, erlaubte ihr Mann ihr, die Regeln zu befolgen. Lola seufzt beruhigt, denn nun kann sie das locker sitzende tadschikische Kopftuch tragen.

Jetzt kann ich das Kopftuch wie eine traditionelle tadschikische Frau tragen. Ich fühle mich freier und glücklicher. Ich bin froh, dass ich zu dem zurückkehren kann, was mir mehr liegt, und ich ganz ich selbst sein kann, ohne mich unter Druck gesetzt und beurteilt zu fühlen“, erklärt die junge Frau.

Zarnigor

Zarnigor ist das fünfte Kind in ihrer Familie: Sie hat zwei Brüder und zwei ältere Schwestern. In der Schule trugen sie und ihre Schwestern sowohl tadschikische als auch europäische Kleidung. Nach dem Schulabschluss bestanden ihre Brüder jedoch darauf, dass ihre Schwestern den Hidschab trugen.
Dabei hatten alle Mädchen der Familie eine höhere Schulbildung erhalten.

Nach dem Schulabschluss begann zuerst meine ältere Schwester, den Hidschab zu tragen, dann meine zweite Schwester und schließlich ich. Wir wollten es nicht, konnten uns aber unseren Brüdern nicht widersetzen, denn wir wussten, dass es zwecklos war, mit ihnen zu streiten – sie würden sowieso ihren Willen durchsetzen. Deshalb haben wir beim Betreten der Universität unser Kopftuch im tadschikischen Stil gebunden und beim Verlassen der Universität den Hidschab wieder angelegt. Das war sehr unangenehm“, sagte Zarnigor.

Die Nachbarn seien von der plötzlichen Veränderung ihres Aussehens überrascht gewesen, da die Schwestern zuvor nicht einmal das landestypische Kopftuch getragen hätten.

Die Nachbarn schauten uns verwundert an, und einige Jungen, mit denen wir zusammen aufgewachsen sind und die wie Geschwister waren, trauten sich nicht einmal, mit uns zu sprechen. Aber mit der Zeit haben wir uns daran gewöhnt“, erzählt die Frau.

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Jetzt sind ihre beiden älteren Schwestern verheiratet, Zarnigor ist noch ledig. Alle arbeiten, und niemand behindert sie bei ihren beruflichen Aktivitäten.
Bei der Arbeit wurde Zarnigor allerdings mehrmals aufgefordert, das tadschikische Kopftuch zu tragen, und einmal wurde sie auf der Straße vom Frauenausschuss angehalten.
Vor kurzem besprach Zarnigor das Problem mit ihren Brüdern, und zu ihrer Überraschung, erlaubten sie ihr ohne Probleme, das Kopftuch auf tadschikische Art und Weise zu tragen.

„Ich war sehr überrascht, dass sie einen Kompromiss eingegangen sind, jetzt fühle ich mich viel wohler“, sagt sie.

Zumrad

Zumrad (Name geändert) ist Hausfrau. Als sie 60 Jahre alt wurde, verlangte ihr ältester Sohn von ihr, den Hidschab zu tragen. Zuvor hatte Zumrad immer ein großes Kopftuch getragen, dessen Ende sie über die Schulter gelegt hatte (diese Art, das Kopftuch zu binden, ist beispielweise im Iran sowie in manchen Regionen Afghanistans verbreitet, Anm.d.Ü.). Zunächst weigerte sich die Frau der Forderung ihres Sohnes nachzukommen.

„Ich erklärte meinem Sohn, dass ich ein großes Tuch auf dem Kopf trage, was für mich bequem und gewohnt ist. Aber er sagte, ich solle den Hidschab tragen. Mehrmals gab es deswegen Meinungsverschiedenheiten im Haus. Schließlich stimmte ich zu. Er ging los und kaufte mir große Hijab-Schals. Ich trug sie, obwohl ich mich dabei unwohl fühlte“, sagt sie.

Das Verhalten ihres Sohnes hatte sich geändert, nachdem die Familie vom Dorf in die Stadt gezogen war.

Wenn ich aber ins Dorf zurückkehrte, trug ich wieder das Kopftuch, nicht den Hidschab, denn meine Art, das Kopftuch zu tragen, unterscheidet sich meiner Meinung nach nicht sehr vom Hidschab. Aber es war einfacher und bequemer für mich, es auf diese Weise zu binden“, sagte Zumrad.

Mit der Zeit gewöhnte sie sich an den Hidschab, aber damit ging sie nur selten in die Stadt und verbrachte mehr Zeit zu Hause.
Als sie einmal ihren Enkel vom Kindergarten abholen musste, hielt sie eine Gruppe von Frauen an:

An diesem Tag trug ich einen schwarzen Hidschab, und diese Frauen baten mich, das Kopftuch nicht mehr so zu tragen. Sie schlugen mir vor, ein helles Kopftuch zu tragen und es auf tadschikische Weise zu binden, so wie wir es früher im Dorf taten“, erzählt Zumrad.

Sie erzählte ihrem Sohn von der Begegnung, weil sie sich langsam wieder unsicher fühlte. Er antwortete: „Es wird kein Problem sein, gehen Sie so (in Tadschikistan ist es üblich, Eltern zu siezen)“. Zumrad weigerte sich jedoch und trägt nun das Kopftuch wieder so, wie sie sich wohlfühlt.

Asia-Plus

Aus dem Russischen von Giulia Manca

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