In den letzten fünf Monaten sind in Kirgistan sieben Minister zurückgetreten. In seinem Kommentar zu den jüngsten Rücktritten des Justizministers und der Generalstaatsanwältin bietet Vetschernij Bischkek einen Einblick in die Intrigen der kirgisischen Politik. Wir übersetzen den Artikel mit freundlicher Erlaubnis der Redaktion.
Einmal im Jahr die Zusammensetzung der Regierung zu wechseln, ist in Kirgistan schon zur Norm geworden. Aber während die Minister vor dem seit April regierenden Kabinett Djoormart Otorbaevs in Horden gingen, schwinden sie nun immer mehr einzeln.
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Eine Reihe von Rücktritten in der Regierung nahm ihren Anfang im September 2014. So ging einer nach dem anderen: Innenminister Abdulda Suranchiev, Minister für Kultur Taliev Kamil, Ministerin für Gesundheit Dinara Saginbaeva, Energieminister Osmonbek Artykbaev, Minister für Arbeit Aliyasbek Alymkulov und Minister für Bildung Kanat Sadykov.
Der Prozess der Ersetzung politischer Ämter geht auch 2015 weiter. Die erste, die in diesem Jahr das Nest verließ, ist die mittlerweile Ex-Generalstaatsanwältin Aida Salyanova. Der Trend wurde vom Leiter des Justizministeriums, Almambet Shykmamatov, fortgesetzt. Er gab seinen Rücktritt am 3. Februar bekannt und verbreitete am gleichen Tag eine Presseerklärung über die Gründe seines Ausscheidens.
So lässt sich Shykmamatovs Entscheidung seinen eigenen Worten zufolge auf einen Vorfall zurückführen, der sich zwischen ihm und dem Leiter der Präsidialverwaltung, Daniyar Narymbaev, ereignet hatte. Vorher hatte sich letzterer bei Mitgliedern der parlamentarischen Mehrheitskoalition über eine Publikation in der kirgisischsprachigen Presse beschwert. Laut Narymbaev handele es sich um einen „wenig schmeichelhaften Artikel“ für den ihn Shykmamatov um Vergebung bitten sollte. In dem Artikel geht es unter anderem darum, dass Shykmamatov angeblich Narymbaev als Beteiligten in einem „politischen Spiel“ gegen die ehemalige Generalstaatsanwältin bezeichnet habe. Doch Shykmamatovs Worten zufolge habe er ein solches Interview nie gegeben.
„Es hat stattdessen ein inoffizielles Gespräch gegeben, bei dem ich gefragt wurde, wer der zukünftige Generalstaatsanwalt werden könnte. Ich nannte Narymbaev als möglichen Kandidaten. In der Zeitung wurden meine Worte aber einfach aus dem Zusammenhang gerissen, umgedreht und zum Druck freigegeben“, – versicherte der Minister später.
Trotzdem forderte Narymbaev bei der Koalitionssitzung eine öffentliche Entschuldigung vom Hauptjuristen des Landes, andernfalls müsse er auf seinen Rücktritt bestehen. Shykmamatov betrachtete diese Option allerdings als unakzeptabel.
„Ich geize nicht mit Entschuldigungen und bin bereit, um Verzeihung zu bitten, unabhängig vom sozialen Status einer Person, wenn ich tatsächlich im Unrecht bin. Das ist eine Frage der Ehre! Aber die Angelegenheit, die von Daniyar Narymbaev aufgeworfen wurde, erinnert mehr an einen Handel und bietet Raum für politische Spekulationen, an denen ich mich weigere, teilzunehmen,“- so schilderte Shykmamatov seine Position in der Presseerklärung.
Zugleich hält er Narymbaevs Bereitschaft, eine öffentliche Entschuldigung zu akzeptieren, für seltsam, wenn, wie jener sage, die Worte des Justizministers „Schäden an der Autorität des Staatsapparates und der Politik im Allgemeinen verursacht haben.“
„Der Leiter der Präsidialverwaltung widerspricht doch seinen eigenen Äußerungen, was mehr über seine persönliche Kränkung aussagt als über Fragen von nationaler Bedeutung. Wenn ein solcher Schaden verursacht worden wäre, dann könnte, meiner Meinung nach, eine Entschuldigung einen solchen „Schaden“ nicht wiedergutmachen“, – so Shykmamatov.
Ein provozierter Rücktritt
Außerdem wurden tags zuvor schon spekuliert, dass die Zeitungsveröffentlichung nur als Vorwand für Anfeindungen von Seiten des „Präsidialapparatschiks“ gedient haben könnte, der wahre Grund aber „Kumtor“ sei (die größte Goldmine des Landes wird aktuell mehrheitlich von der kanadischen Firma Centerra Gold betrieben. Die Debatte um eine mögliche Nationalisierung der Mine ist ein sehr heißes Thema in Kirgistan. Anm. d. Red.). Das wurde im Studio der Sendung „unbequeme Fragen“ geäußert, die auf dem nationalen Sender KTRK ausgestrahlt wird. Darauf Bezug nehmend, versicherte der Vorsitzende der Parlamentsfraktion der Sozialdemokratischen Partei, Chynybay Tursunbekov, dass das Parlament das Recht habe, die Sache „Kumtor“ ohne das Justizministerium aufzuklären. „Das gegenwärtige Amt regelt nichts“ – behauptete er.
Der Justizminister ist mit der Stellungnahme des Leiters der Sozialdemokraten aber nicht einverstanden. „Das Parlament kann diese Frage nicht ohne das Justizministerium lösen. Bei der Unterzeichnung einer solchen Vereinbarung hat unser Urteil eine wichtige Rolle,“ – argumentierte Shykmamatov. Bei der Schaffung eines Joint Venture-Betriebs rund um „Kumtor“ hält das Ministerium an einer bestimmten Position fest – es besteht auf die Wichtigkeit der Gletschererhaltung auf dem entwickelten Bereich der Goldlagerstätte.
Darin, dass Shykmamatov gezwungen wurde, von seinem Posten abzutreten, sind sich auch einige Politiker sicher. Diese Meinung vertritt zum Beispiel ein Abgeordneter aus der Partei „Ata Meken“ (einer der drei Regierenden Koalitionparteien, zusammen mit SDPK und Ar-Namys – Anm. d. Red.), Tashbolot Baltabaev.
Bei der gestrigen Fernsehdebatte hat der Vorsitzende der Sozialdemokraten, ungeachtet dessen, dass Shykmamatov mehrmals versicherte, der Zeitung kein Interview gegeben zu haben, immer wieder auf seinen Rücktritt bestanden. Er nahm dabei Bezug auf Narymbajevs Worte, dass der Artikel dem Land Schaden hinzugefügt hätte. Letztendlich sagte Shykmamatov, dass er gehe, wenn sein Rücktritt so notwendig sei“, – so der Abgeordnete.
Baltabaev ist sich sicher, dass es in der Geschichte Kirgistans so etwas vorher nicht gegeben habe, dass Politiker ihre persönlichen Kränkungen zur öffentlichen Diskussion stellten. „Ich halte es für eine ungeeignete Praxis, Gerüchte und persönliche Kränkungen in der Öffentlichkeit an den Pranger zu stellen. Mit solchen Dingen sollte man sich persönlich befassen. Bei uns im Land gibt es schon genug ernsthafte Probleme. Wieso kann der Leiter der Präsidialverwaltung diese nicht in den Koalitionsrat hinaustragen?“ – fragt er sich.
Auf die Frage, wie Präsident Atambaev dieses Ereignis beurteilen sollte, verwies Baltabaev wiederum auf die Worte des Leiters der Präsidialverwaltung. Ihnen zufolge hieße es Atambaev selbst willkommen, dieses Problem öffentlich im Rat der Koalition zu besprechen.
Nicht zum ersten mal in dieser Geschichte hat sich Chynybay Tursunbekov, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Fraktion, zu Wort gemeldet, und angeführt, dass er mit „einem solchen Verlauf der Ereignisse,“ nicht glücklich sei.
„Warum sollte ich mich freuen? Ich wollte so etwas nicht. Wir im Koalitionsrat haben nur die Anrufung des Leiters des Präsidialamtes überprüft. Er schrieb uns einen Brief und bat darum, Schritte gegen Shykmamatov vorzunehmen. Wenn jemand über Sie eine Verleumdung schreibt, werden Sie auch dafür sorgen wollen, dass alle Anschuldigungen gegen Sie fallen gelassen werden. Narymbaev wandte sich uns Kabinettsmitgliedern wie „Eltern“ zu“, – erklärte der Vorsitzende des Parlaments der Sozialdemokraten.
Dabei konnte Tursunbekov aber nicht beantworten, was die Folgen des Rücktritts des Ministers sein könnten. Er drückte lediglich die Hoffnung aus, dass „Mitglieder der Regierung fortan nachdenken werden, bevor Sie mit dem Nächstbesten kommunizieren.“
Am Vorabend des Rücktritts Shykmamatovs sagte Omurbek Tekebaev, dass er ein solches Handeln eines Beamten unterstützt. „Er bewies, dass er seines Amtes wegen nicht zu kriechen bereit ist, dass er über allen politische Intrigen steht. Der Minister hat die Gründe für seinen Rücktritt ausreichend verdeutlicht“, – kommentierte der Vorsitzende der Parlamentsfraktion „Ata Meken“.
Auf die Frage, ob der Rücktritt Auswirkungen auf den Zusammenhalt der parlamentarischen Mehrheitskoalition hätte, merkte Tekebaev an, dass der Minister zurückgetreten sei, „um ja gerade solche Gefahren zu vermeiden.“
„Shykmamatov hat selbst gesagt, dass er den Posten aufgibt, damit bestimmte Mächte den Konflikt zwischen den Fraktionen der Mehrheit nicht ausnutzen, um die Koalition zu spalten. Shykmamatov tritt aus seinem Amt zurück, damit nicht irgendwer die Situation im Land untergraben kann“ – wies Tekebaev hin. Aber wer mit „irgendwer“ gemeint sein könnte, erläuterte der Vorsitzende der rotweißen Partei nicht.
Zudem ist es derzeit noch zu früh, einen Punkt hinter diese Geschichte zu setzen – die Aussage des Hauptjuristen des Landes, dessen Amt zum Anteil von „Ata Meken“ zählt, muss noch durch die Hände eines anderen atamekener Schützlings gehen – Premierminister Joomart Otorbaev.
Marina Skolisheva
Vetschernij Bischkek
Aus dem Russischen übersetzt von Sofia Tscholakidi