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Kirgistan — konfrontiert mit einem Dilemma

Die Botschaften der USA und Großbritanniens in Kirgistan veröffentlichten Terrorwarnungen ohne Rücksprache mit den kirgisischen Behörden. Nun wollen beide Seiten die Zusammenarbeit verbessern. Kirgistan steht dabei vor der Herausforderung, terroristische Aktivitäten zu bekämpfen, ohne seine offene Verfasstheit aufs Spiel zu setzen. Eine Analyse von Daniyar Kosnazarov, Mitgründer des Zentrums für China- und Zentralasienstudien "Synopsis".

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Das kirgisische Bischkek
Das kirgisische Bishkek

Die Botschaften der USA und Großbritanniens in Kirgistan veröffentlichten Terrorwarnungen ohne Rücksprache mit den kirgisischen Behörden. Nun wollen beide Seiten die Zusammenarbeit verbessern. Kirgistan steht dabei vor der Herausforderung, terroristische Aktivitäten zu bekämpfen, ohne seine offene Verfasstheit aufs Spiel zu setzen. Eine Analyse von Daniyar Kosnazarov, Mitgründer des Zentrums für China- und Zentralasienstudien „Synopsis“.

Die Ankündigungen der US-amerikanischen und britischen Botschaften über mögliche Terroranschläge in Kirgistan versetzte Bischkek in Aufregung.

Das staatliche Komitee für nationale Sicherheit Kirgistans teilte mit, dass ihm keine Informationen über derlei Terrorangriffe vorlägen, hob allerdings sein Interesse an der Zusammenarbeit mit den diplomatischen Vertretungen anderer Länder und den Erhalt einschlägiger Informationen hervor.

Das kirgisische Außenministerium merkte an, dass die Mitteilungen der beiden Botschaften ohne Rücksprache mit dem Ministerium veröffentlicht wurde. Mit den Botschaftern der USA und Großbritanniens fand ein Treffen im Außenministerium statt, bei dem beide Seiten erklärten, welche Gründe zur Veröffentlichung einer derartig ersten Warnung vorlagen.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutierten auch Abgeordnete des kirgisischen Parlaments, dem Dschogorku Kengesch, die Sicherheitslage im Land. Es erging der Beschluss, Regeln für das Verhalten der Bürger im Falle eines terroristischen Anschlags auszuarbeiten.

Chronik des Terrorismus

Die Dynamik der Geschehnisse in den letzten zwei Jahre lässt erkennen, dass die Aktivität terroristischer Zellen gestiegen ist. Der Ausbruch zweier Gefangener aus einem Gefängnis im Juni 2015 ist Kirgistan noch in frischer Erinnerung. Einer von ihnen sprengte sich während der versuchten Festnahme in die Luft.

Im Juli letzten Jahren wurde ein Spezialeinsatz durchgeführt, bei dem vier Extremisten ums Leben kamen. Am 22. Oktober 2015 wurden Mitglieder einer terroristischen Organisation festgenommen, die eine Serie von Anschlägen in mehreren Regierungsgebäuden geplant hatten. Derartige Ereignisse gab es auch in diesem Jahr. So nahmen Mitarbeiter des GKNB zum Beispiel am 29. März 2016 sieben Terroristen fest.

Offiziellen Daten zufolge bereitete diese Gruppe verschiedene Anschläge im ganzen Land vor. Am 20. September konnten verdeckte Ermittler eine selbstgebaute Bombe unschädlich machen und forderten die Bewohner der Hauptstadt auf, besonders wachsam zu sein.

Diese Chronik des Terrors beweist sowohl den Bürgern Kirgistans als auch internationalen Partnern, dass an der Gewährleistung der Stabilität des Landes gearbeitet wird. Dennoch ist klar, dass die diplomatischen Vertretungen anderer Länder nach dem Anschlag auf die chinesische Botschaft in Bischkek noch stärker um die Sicherheit ihrer in Kirgistan weilenden Bürger besorgt sind.

Forderung nach besseren Information statt Panikmache

Die Stimmung ist noch lange nicht panisch, doch westliche Länder, insbesondere die USA und Großbritannien, wollen von den kirgisischen Behörden verlässlichere Informationen über Terroristen und Antiterrormaßnahmen erhalten.

Ausländische Partner, die über derartige Informationen zur Sicherheitslage in Kirgistan verfügen, sind angehalten, auf Grundlage dieser begründet Alarm zu schlagen oder sie zurückzuhalten. In keinem Fall aber sollten Mitteilungen wie die der Botschaften der USA und Großbritanniens veröffentlicht werden. Wohl deshalb sind die kirgisischen Behörden und die Botschaften der beiden Länder zu dem Schluss gekommen, den gegenseitigen Informationsaustausch zu intensivieren.

Der Angriff auf das neue Gebäude der chinesischen Botschaft hätte genauso gegen die Botschaft der USA durchgeführt werden können – in Anbetracht der Tatsache, dass sich beide Gebäude nicht weit voneinander befinden. Experten hatten kurz nach den Anschlägen die Frage aufgeworfen, warum diese ausgerechnet gegen die chinesische Botschaft gerichtet waren, wo doch amerikanische Botschaften bedeutend öfter von terroristischen Attacken weltweit betroffen sind.

Zudem bedeutet der Anschlag auf die Botschaft der Volksrepublik nicht, dass Anschläge auf die Vertretungen anderer Länder ausbleiben werden. Bischkek steht jetzt also vor der Aufgabe, ausländische Partner nach verhinderten oder geschehen Anschlägen zu beruhigen und ausreichend zu informieren.

Die kirgisischen Geheimdienste dürfen nicht zu viele Informationen zurückhalten, was nur zur Entstehung von Gerüchten und Panik beitragen würde. Auch wiederholte Meldungen zu dem Thema sind der Situation nicht dienlich und vergrößern nur die Angst in der Bevölkerung – selbst dann, wenn potenzielle Attentäter neutralisiert wurden.

Das kirgisische Dilemma

In diesem Dilemma des Umgangs terroristischer Gefährdung befinden sich auch andere Länder. Doch für Kirgistan könnte es sich um einiges komplizierter erweisen, da es, im Vergleich mit anderen Ländern Zentralasiens, noch immer vergleichsweise offen ist.

Bekanntermaßen führt der Kampf gegen den Terror vorrangig zu einer verstärkten staatlichen Kontrolle über staatliche und gesellschaftliche Prozesse im Land.

Die Frage ist nun, wie Kirgistan die Offenheit seines Landes wahren kann, während staatliche Organe zugleich effektiver im Kampf gegen Terrorismus und andere destruktive Einflüsse arbeiten müssen.

Daniyar Kosnazarov

Dieser Artikel ist ebenfalls auf Russisch bei vlast.kz erschienen

Aus dem Russischen übersetzt von Luisa Podsadny

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