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Kirgistan: Fastenbrechen vor politischem Hintergrund

Am Freitag, den 17. Juli, feierten Muslime auf der ganzen Welt das Fastenbrechen und das Ende des Ramadan. So auch in Kirgistan, wo immer mehr Menschen dieses islamische Gebot befolgen. Auf dem zentralen Platz der Hauptstadt Bischkek trafen sich mehrere Tausend Gläubige für das Morgengebet. Sie lauschten dabei der sehr politischen Predigt des Großmuftis Kirgistans.

Die Redaktion 

Fastenbrechen Bischkek
Fastenbrechen Bischkek

Am Freitag, den 17. Juli, feierten Muslime auf der ganzen Welt das Fastenbrechen und das Ende des Ramadan. So auch in Kirgistan, wo immer mehr Menschen dieses islamische Gebot befolgen. Auf dem zentralen Platz der Hauptstadt Bischkek trafen sich mehrere Tausend Gläubige für das Morgengebet. Sie lauschten dabei der sehr politischen Predigt des Großmuftis Kirgistans.

Um 07:15 scheint das Sonnenlicht, noch rosa, über die kirgisische Hauptstadt Bischkek. Mehrere Tausend Leute knien schon auf dem alten Platz im Zentrum. Über 10.000, laut der lokalen Presse. Sie warten auf das Gebet des Großmuftis Kirgistans, Maksatbek Aschi Toktomuschew. Dieser von der Regierung nominierte islamischer Gelehrte ist die höchste religiöse Autorität des Landes. Neben ihnen zeigt ein steinerner Lenin nach Norden, hin zum fernen Russland. Ein solches Bild voller Gegensätze wäre vor 25 Jahren noch undenkbar gewesen.

Fastenbrechen Bischkek

Dieses Jahr hat die Predigt einen starken politischen Unterton. Dabei garantiert die kirgisische Verfassung, die nach der Revolution und der interethnischen Gewalt von 2010 eingeführt wurde, die Trennung von Religion und Staat (Artikel 7) sowie die Religionsfreiheit (Artikel 32).

Die religiöse Praxis steigt von Jahr zu Jahr in einem Land auf der Suche nach seiner Identität. Etwa 75% der Bevölkerung gelten als muslimisch. Um diese Entwicklung zu kontrollieren, greift die Regierung immer stärker in religiöse Angelegenheiten ein. Seit 2010 beobachteten mehrere Berichte Einschränkungen der religiösen Freiheit.

Anti-Terror-Operationen am Vortag

Seit mehreren Monaten sorgen sich der Staat und das Muftiat um potentielle terroristische Bedrohungen im Land. Etwa 300 Kirgisen haben sich laut mancher Schätzungen dem Islamischen Staat (IS) im Irak und in Syrien angeschlossen und die Behörden befürchten, dass diese auch in ihrem Heimatland Attentate ausüben werden. So erklärte der Großmufti noch vor dem Gebet: „Der Terrorismus ist der Feind des Islam.“

„Der islamische Terrorismus wurde von den Feinden des Islam erfunden“, bemerkte er vor den Gläubigen, die ihm an diesem Morgen lauschten. „Er soll die schlechte Seite der Muslime zeigen und die Gläubigen in einem furchtbaren Blutbad gegeneinander aufhetzen.“

Muslimisches Gebet in Kirgistan

Seine Rede folgte auf zwei gewalttätige Anti-Terror-Operationen der kirgisischen Sicherheitskräfte. Am Vortag, Donnerstag, den 16. Juli, waren gegen 18:00 im Zentrum Bischkeks Schüsse zu hören. Nach einem Schusswechsel, der mehr als zwei Stunden dauerte, erklärte die Regierung, dass vier vermeintliche Terroristen getötet seien. Ein fünfter wurde festgenommen. Laut der Regierung gehörten sie zu einer Zelle des IS. Etwas später wurden zwei weitere Verdächtige in Lebedinovka, einer Vorstadt Bischkeks, erschossen, die zu derselben Zelle des IS gehört hätten. Die Operation verlief besonders gewaltsam, und vier Polizisten wurden von Kalaschnikow-Schüssen und Granaten verwundet. Wie die Sicherheitsdienste mitteilten, wurden ein Lager mit Maschinenwaffen, ein paar handgefertigten Bomben und einer IS-Flagge sichergestellt.

Zwei der getöteten Männer seien Bürger Kasachstans, die erst am 25. Mai aus einem Bischkeker Gefängnis gebrochen waren, so der Pressesprecher des Komitees für Staatssicherheit (GKNB). Er fügte hinzu, dass die Gruppe geplant hatte, zwei Attentate auszuüben: eins während des Fastenbrechens in Bischkek und ein zweites gegen die russische Militärbasis in Kant, 30km östlich von Bischkek.

Die Informationen, die von den kirgisischen Behörden gegeben werden, sind umstritten. Manche bezweifeln die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes, weitere halten die offizielle Erklärung für unglaubwürdig. So fragt sich der Zentralasien-Experte Bruce Pannier bei RFE/RL, wie eine Gruppe von sieben Männern geplant haben konnte, einen der größten russischen Militärstützpunkte im Ausland anzugreifen. Weitere offene Fragen drehen sich darum, wie die aus dem Gefängnis Geflohenen die Attentate in so kurzer Zeit hätten planen können, und ob überhaupt Verbindungen zum IS bestehen. Der IS hat zu den Ereignissen bisher keinen Kommentar abgegeben, und mehrmals erklärt, dass es nicht Zeit sei, Zentralasien anzugreifen.

Fünf Häuser sind während der Eingriffe verbrannt, und so haben mehrere Familien ihren Wohnraum sowie Dokumente verloren. Laut dem Bischkeker Bürgermeisteramt müssten sie medizinische und psychologische Hilfe sowie 80 000 KGS (1168€) Entschädigung erhalten. Bis zum 19. Juli wurde ihnen jedoch noch nicht mal ein Zelt als vorübergehende Bleibe zur Verfügung gestellt.

Der Polizeieinsatz fällt auf eine Zeit, in der die – oft übertriebenen – Sorgen des kirgisischen Staats und der internationalen Presse hinsichtlich einer islamistischen Bedrohung auf ihrem Höhepunkt sind. Diese vermeidliche Bedrohung gibt dem Staat auch einen Vorwand, um bestimmte Eingriffe in die bürgerlichen Freiheiten zu rechtfertigen: so wurde im letzten Dezember für ein paar Tage das unabhängige Medienportal Kloop.kg gesperrt. Vorher hatte es ein Video übernommen, auf dem kasachstanische Kinder zu sehen waren, die für den IS kämpften.

Beim Gebet am letzten Freitag drückte Maksatbek Toktomuschew seine Sorge aus, dass manche Muslime Kirgistans, „vor allem die Jungen“, den Terrorismus als „einen Teil der Religion“ ansehen könnten. „Denkt gut nach, bevor ihr ins Ausland zieht“, warnte der Mufti. „Gebt den Provokationen nicht nach. Der Islam ist eine Gnade. Der Terrorismus hat keine Religion, keinen Staat und keine Grenzen.“

Ein Aufruf zu Toleranz, der ironischerweise von Ermutigungen begleitet wurde, „sich zusammen gegen die Homosexuellen und die Pädophilen durchzusetzen.“

 

Die Redaktion von Novastan.org

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