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Beschleunigt der Ukraine-Krieg die Entwicklung des Luftfahrtsektors in Zentralasien?

Der Krieg in der Ukraine hat Russland nicht nur auf dem Boden, sondern auch in der Luft isoliert. Die zentralasiatischen Staaten, insbesondere Kasachstan und Usbekistan, haben Schritte zur Entwicklung ihres nationalen Luftfahrtsektors eingeleitet. Der Verlust der Vormachtstellung von russischen Airlines bedeutet gleichermaßen die Stärkung der regionalen Netzwerke.

Zentralasien könnte eine stärkere Rolle als „Luftverkehrsknotenpunkt“ zwischen Europa und Asien spielen. (Symbolbild)

Der Krieg in der Ukraine hat Russland nicht nur auf dem Boden, sondern auch in der Luft isoliert. Die zentralasiatischen Staaten, insbesondere Kasachstan und Usbekistan, haben Schritte zur Entwicklung ihres nationalen Luftfahrtsektors eingeleitet. Der Verlust der Vormachtstellung von russischen Airlines bedeutet gleichermaßen die Stärkung der regionalen Netzwerke.

Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine sind mehrere russische Sektoren durch umfassende Sanktionen anderer Staaten blockiert, und zahlreiche Ost-West-Landrouten werden von europäischen und anderen westlichen Firmen gemieden. Hier findet Zentralasien eine Möglichkeit, seine Position und Relevanz auf der internationalen Bühne zu stärken, insbesondere mit dem Projekt „Neue Seidenstraße“, das seit 2013 von China umgesetzt wird. Angeführt von Usbekistan und Kasachstan ersetzen Zentralasiatische Fluggesellschaften zunehmend russische Transporte.

Russland aus dem Spiel

Im April 2024 wurde auf dem Zentralasiatischen Luftfahrtgipfel in Astana die Gründung einer eigenen Zivilluftfahrtbehörde durch die Länder der Region verkündet. Bei dieser Gelegenheit kommentierte Amir Achmetow, leitender Berater des Direktors der kasachischen Luftfahrtbehörde, die Entwicklung der „Eurasischen Zivilluftfahrtkonferenz (EACAC)“ wie folgt: „Vor dem Hintergrund der sich wandelnden geopolitischen Lage in den Republiken Zentralasiens und des Südkaukasus gründen Länder mit gemeinsamen Ideen eine eigene regionale Zivilluftfahrtorganisation.“

Diese Initiative, ursprünglich von Astana in 2023 vorgeschlagen, versammelt Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan, sowie Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldau und die Mongolei. Das erste Treffen der EACAC fand im November 2024 in Almaty statt.

Nachdem im Dezember 2024 der Bau eines neuen Luftfahrt-Wartungszentrums in Aktau im Westen Kasachstans angekündigt wurde, beauftragten die Beteiligten das türkische Unternehmen, Turkish Technic, mit der Durchführung des Projekts. YDA – einer der größten Verteidigungs- und Luftfahrtkonzerne der Türkei – und ASFAT (Askeri Fabrika ve Tersane İşletme, Verwaltung von Militärfabriken und Werften) werden zivile und militärische Flugzeuge aus Kasachstan, Russland, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgistan und Tadschikistan warten.

Laut dem ehemaligen kasachischen Verkehrsminister Marat Karabayev „wird das Zentrum 411 Zivilflugzeuge bedienen“. „Dank dieses Projekts wird die Frachtabfertigungskapazität des Flughafens 200.000 Tonnen pro Jahr erreichen, was einem Jahresumsatz von 520 Milliarden Tenge (996,7 Millionen Dollar) entspricht“, fügte er hinzu.

Liberalisierung des inländischen Marktes

Wie zahlreiche postsowjetische Staaten wurde Zentralasien lange von staatlichen Fluggesellschaften dominiert. Dann erfolgte im Laufe des vergangenen Jahrzehnts eine Welle von Privatisierungen im Rahmen eines Marktliberalisierungsprozesses, was Konkurrenz ermöglichte.

In Kasachstan hat die Liberalisierung des Marktes und der daraus entstandene Wettbewerb dem zivilen Luftfahrtsektor zu deutlichem Aufschwung verholfen. Air Astana, die ihre wichtigsten Drehkreuze in Almaty und Astana hat, gilt heute als eine der besten Fluggesellschaften im postsowjetischen Raum.  Ihre Billigflug-Tochter FlyArystan verzeichnete ein rapides Wachstum und verfügt inzwischen über eine moderne Airbus-Flotte von mehr als 60 Maschinen, darunter jährlich neu gelieferte Airbus A320 und A321. Bei einer Buchung nur eine Woche vor Abflug können Passagiere bereits für 27 US-Dollar (23,15 Euro) von Almaty nach Schymkent fliegen.

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Die Situation in Usbekistan ist ähnlich: Auch dort machen neue Anbieter den staatlichen Fluggesellschaften zunehmend Konkurrenz. Allein im Jahr 2023 wurden sechs neue Airlines gegründet und 28 zusätzliche Flugzeuge bestellt. Die Gesamtflotte umfasst inzwischen 75 Maschinen und soll bis Ende 2025 die Marke von 100 überschreiten.Herausforderungen für die übrigen zentralasiatischen Staaten

Im Rest von Zentralasien verläuft die Entwicklung langsamer. Kirgistan und Tadschikistan verfügen nur eine minimale inländische Luftfahrtbranche und hängen stark von ausländischen Fluggesellschaften ab.

Nach Tadschikistan zu reisen bleibt schwierig: Die Flugpreise sind kaum erschwinglich, und der Flughafen Duschanbe gilt laut Radio Ozodi, dem tadschikischen Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty, als chaotisch und von alltäglicher Korruption geprägt. Im Mai vergangenen Jahres wurde der Flughafendirektor Ismatullo Abdullozoda wegen des Verdachts auf Unterschlagung festgenommen. Die meisten Flüge von Duschanbe aus führen nach Russland.

Die Pläne kirgisischer Fluggesellschaften, internationale Direktflüge aufzunehmen, werden seit 2006 durch ihre Einstufung auf der EU-Flugverbotsliste ausgebremst. Präsident Sadyr Dschaparow hält diese Sanktionen für ungerecht und geht davon aus, dass sie bald aufgehoben werden.

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Turkmenistan hingegen betreibt trotz seiner isolationistischen Politik moderne Boeing 777 und 737 MAX über die staatliche Fluggesellschaft Turkmenistan Airlines. Nach einem im Jahr 2019 verhängten Flugverbot hat die Airline ihre Genehmigung für den Luftraum der EU inzwischen wieder zurückerhalten. Airlines spielen nicht nur eine wichtige Rolle bei der Anbindung Zentralasiens an den Rest der Welt, sondern tragen auch zur Integration der Region bei. Wie Ryanair und EasyJet in Europa gezeigt haben, können Fluggesellschaften durch die Förderung des interregionalen Austauschs die zentralasiatische Identität stärken.

Laut The Diplomat wäre der nächste Schritt „Open-Skies-Abkommen zwischen den Ländern abzuschließen, die es ausländischen Fluggesellschaften ermöglichen, mit den etablierten nationalen Fluggesellschaften zu konkurrieren“. Kasachstan hat in dieser Hinsicht mit einer Open-Skies-Politik an 15 Flughäfen Fortschritte erzielt. Usbekistan plant, dasselbe zu tun, auch wenn der Prozess langsamer voranschreitet.

Kasachstan könnte Russland auch in wichtigen Segmenten des regionalen Flugverkehrs verdrängen, nicht aus Feindseligkeit, sondern aus Notwendigkeit, schreibt Andrej Matwejew für The Times of Central Asia. Und auch wenn der russische Protektionismus die zentralasiatischen Fluggesellschaften daran hindern wird, die russischen Fluggesellschaften auf Inlandsstrecken vollständig zu ersetzen, gibt es doch Möglichkeiten auf Grenzstrecken, bei Flügen in die Diaspora und auf Transitkorridoren. Kasachstan, Usbekistan und andere Länder bemühen sich, die seit 2022 entstandene Lücke sicher und effizient zu schließen.

Samad Alizade für Novastan

Aus dem Französischen von Silvan Ergican

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