Kann ein Kohlenstoffmarkt Tadschikistan im Kampf gegen Klimawandel und Wasserknappheit helfen? Expert:innen sehen großes Potenzial, warnen aber vor fehlenden Strukturen und enormen Kosten. Wie realistisch ist dieser Weg für Tadschikistan?
Der Klimawandel macht auch vor Tadschikistan nicht halt: Schmelzende Gletscher und zunehmende Wasserknappheit stellen das Land vor große ökologische und wirtschaftliche Herausforderungen. Um diesen Entwicklungen zu begegnen, rückt ein Instrument zunehmend in den Fokus – der Kohlenstoffmarkt.
Asia-Plus hat mit den Umweltexpert:innen Vadim Ni, Dr. Muasama Burсhanowa und Astсhine Pasojan über die Chancen und Hürden eines solchen Marktes in Tadschikistan gesprochen. Ihre Einschätzung: Der Aufbau eines solchen Marktes könnte nicht nur beim Klimaschutz helfen, sondern auch dringend benötigte Investitionen ins Land bringen, beispielsweise für Projekte im Bereich erneuerbare Energien oder Ökotourismus. Doch welche Maßnahmen sind erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen?
Kohlenstoffmarkt: Ein Hoffnungsträger mit Hürden
Die Möglichkeit, über Kohlenstoffmärkte Investitionen anzuziehen, eröffnet Tadschikistan den Zugang zu internationalen Klimainitiativen wie dem „UN Green Energy Programme” oder Projekten der Asiatischen Entwicklungsbank. Solche Programme könnten technische und finanzielle Unterstützung leisten und das Vertrauen internationaler Investoren stärken. Damit würde die Realisierung eines Kohlenstoffmarktes gefördert.
Gleichzeitig sieht sich das Land mit beträchtlichen Herausforderungen konfrontiert. Die wirtschaftliche Lage Tadschikistans macht deutlich, dass die Umsetzung von Klimaprojekten erhebliche finanzielle Ressourcen erfordert. Laut aktuellen Schätzungen könnten die notwendigen Investitionen sich auf bis zu bis zu 96 Mrd. USD belaufen. Ein solch ambitioniertes Szenario für die grüne Wirtschaft erfordert laut Tajikistan Country Climate and Development Report Investitionen in Höhe von 34 Mrd. USD im Zeitraum 2025-2030 und weitere 45 Mrd. USD in den Jahren 2031-2050.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Diese Prognosen werfen unweigerlich die Frage auf, ob Tadschikistan in der Lage sein wird, diese Summen eigenständig aufzubringen. Sollte dies nicht gelingen, wäre die Schaffung eines Kohlenstoffmarktes stark von externer Unterstützung abhängig.
Damit der Kohlenstoffmarkt funktionieren kann, müssen außerdem die Infrastruktur und der Rechtsrahmen entwickelt werden, einschließlich eines Systems zur Zertifizierung von Kohlenstoffgutschriften. Das gibt es in Tadschikistan noch nicht. Darüber hinaus ist es unerlässlich, auch die Bedenken von Experten aus dem Umweltschutz zu berücksichtigen, die auf die negativen Auswirkungen großer Wasserkraftwerke auf die Umwelt hinweisen.
Entwicklungsländer brauchen viel mehr Unterstützung bei der Klimafinanzierung
Auf der COP-29-Klimakonferenz in Baku im Jahr 2024 betonte der tadschikistanische Minister für Energie und Wasserressourcen, Daler Dschuma, dass die Klimafinanzierung zur Unterstützung der Entwicklungsländer mindestens vervierfacht werden sollte. Er wies darauf hin, dass die Entscheidung, die finanzielle Unterstützung bis 2035 auf 300 Mrd. USD zu erhöhen, zwar richtig sei, aber nicht ausreiche.
Vadim Ni, der Leiter des „Sozio-Ökologischen Fonds“ in Kasachstan, betonte im Gespräch mit Asia-Plus, dass die Einführung eines Kohlenstoffmarktes in Tadschikistan klare Emissionsquoten auf Unternehmensebene voraussetzt. Dafür ist jedoch eine ausreichende Anzahl großer Industrieakteure notwendig – und genau hier liegt das Problem. Derzeit könnten Unternehmen wie TALCO sowie die Kraftwerke Duschanbe CHPP-1 und CHPP-2 für eine Quotenvergabe infrage kommen. Laut Ni reicht ihre Zahl jedoch nicht aus, um einen tragfähigen, funktionierenden Markt zu etablieren.
Dr. Muasama Burchanowa, die Direktorin der Stiftung für Umweltinitiativen „Dastgiri-Zentrum“, betrachtet den Handel mit Kohlenstoffgutschriften hingegen als ein wirkungsvolles Instrument zur Emissionsregulierung und somit als einen zentralen Hebel im Kampf gegen den Klimawandel. Solche Gutschriften sind Quoten für die zulässige Emissionsmenge in die Umwelt, die einer Tonne Kohlendioxid entspricht. Gemäß den geltenden Bestimmungen wird jeder staatlichen Einrichtung eine bestimmte Emissionsquote zugeteilt, die anschließend an die entsprechenden Unternehmen weitergegeben wird.
Kohlenstoffmärkte ermöglichen es Regierungen und Unternehmen, mit diesen Zertifikaten zu handeln und ihre Klimaziele auf wirtschaftlich effiziente Weise zu erreichen. Allerdings verfügt Tadschikistan bislang über kein funktionierendes System zur Erfassung, Überwachung und Verifizierung von CO₂-Emissionen. Erste gesetzliche Grundlagen für die CO₂-Regulierung werden frühestens für die Jahre 2025/26 erwartet.
Burchanowa hebt zudem die Bedeutung von Forstprojekten hervor: Bäume könnten ein wichtiger Bestandteil des tadschikischen Kohlenstoffmarktes werden. Ihrer Einschätzung zufolge bindet ein einzelner Baum zwischen 21,77 und 31,5 Kilogramm CO₂ pro Jahr. Um eine Tonne CO₂ zu kompensieren, müssten demnach 31 bis 46 Bäume gepflanzt werden.
Chancen und Risiken eines Kohlenstoffmarktes in Tadschikistan
Die Etablierung eines Kohlenstoffmarktes in Tadschikistan könnte ein bedeutender Schritt in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung sein, doch der Prozess ist auch mit Risiken verbunden.
Zunächst zu den Chancen:
Ein zentraler Vorteil ist die wachsende Attraktivität des Landes für internationale Investitionen in umweltfreundliche Projekte, beispielsweise im Bereich der erneuerbaren Energien. Dies könnte nicht nur zusätzliche Finanzmittel ins Land bringen, sondern auch zur Energiesicherheit und zur wirksamen Bewältigung des Klimawandels beitragen.
Durch die Teilnahme am internationalen Emissionshandel würde Tadschikistan Teil eines globalen Systems zur Reduktion von Treibhausgasen werden, was positive Impulse für das Wirtschaftswachstum mit sich brächte. Vor allem das Potenzial im Bereich der Wasserkraft ist vielversprechend: Projekte zur Erzeugung von Emissionsgutschriften könnten zur Diversifizierung des Energiemarkts beitragen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern.
Die Risiken:
Astсhine Pasojan, Direktorin der „Foundation to Save Energy“, weist auf das Fehlen einer grundlegenden Infrastruktur zur Überwachung und Überprüfung von CO₂-Emissionen hin. Für einen funktionierenden Kohlenstoffmarkt sei ein transparentes Monitoring-System ebenso unverzichtbar wie klare Standards für die Vergabe von Zertifikaten.
Vadim Ni ergänzt, dass die klimapolitischen Ziele Tadschikistans ohne wirksame Maßnahmen zur Emissionsminderung und ohne die Einführung eines CO₂-Preises kaum erreichbar seien.
Dr. Muasama Burchanowa warnt zudem, dass die fortgesetzte Nutzung von Kohle als dominierende Energiequelle nicht nur die Umwelt weiter belasten, sondern auch erhebliche Gesundheitsrisiken mit sich bringen könnte – etwa durch Luftverschmutzung.
Schließlich drohen auch wirtschaftliche Belastungen. Die Umstellung auf emissionsärmere Technologien könnte mit steigenden Kosten verbunden sein, insbesondere im Kontext eines wachsenden Energiebedarfs. Diese finanziellen Herausforderungen könnten sich negativ auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung auswirken.
Was Tadschikistan von anderen Ländern lernen kann
Beim Aufbau eines eigenen Kohlenstoffmarktes kann Tadschikistan auf internationale Erfahrungen zurückgreifen, insbesondere auf die von Ländern mit ähnlichen wirtschaftlichen Strukturen. Die Beispiele Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan zeigen, dass sich trotz begrenzter Ressourcen Fortschritte in der Klimapolitik erzielen lassen.
Kasachstan investiert zunehmend in erneuerbare Energien, beispielsweise in Solar- und Windkraft. Insbesondere der dort entwickelte Rechtsrahmen könnte für Tadschikistan ein Vorbild sein, um grüne Projekte gezielt zu fördern und privates Kapital zu mobilisieren.
Kirgistan konzentriert sich auf nachhaltige Landwirtschaft und neue Technologien im Wasser- und Agrarsektor. Dies sind Bereiche, die auch in Tadschikistan großes Potenzial bergen.
Usbekistan wiederum setzt auf Ökotourismus und grüne Wirtschaftsinitiativen. Diese dienen nicht nur dem Umweltschutz, sondern schaffen auch Arbeitsplätze. Ein Modell, das auch für Tadschikistan relevant sein könnte.
Wie der kasachstanische Experte Vadim Ni betont, ist es entscheidend, dass Tadschikistan seine Emissionsdaten regelmäßig erfasst, überprüft und öffentlich zugänglich macht. Bislang fehlt es jedoch an einem solchen System.
Auch Länder außerhalb der Region bieten wertvolle Anhaltspunkte:
So arbeitet Vietnam aktuell an einem CO₂-Steuersystem und beteiligt sich aktiv an internationalen Kohlenstoffmärkten. Damit will das Land sowohl Emissionen senken als auch das Wirtschaftswachstum sichern.
Indonesien wiederum setzt auf forstwirtschaftliche Projekte – ein Ansatz, der angesichts der waldreichen Regionen Tadschikistans auch dort zukunftsweisend sein könnte.
Fazit:
Die Einrichtung eines Kohlenstoffmarktes könnte für Tadschikistan ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltige Entwicklung sein und gleichzeitig internationale Investitionen anziehen. Doch bis es soweit ist, gibt es noch zahlreiche Hürden zu überwinden. So mangelt es an grundlegender Infrastruktur, einem rechtlichen Rahmen, Fachwissen und einem funktionierenden System zur Überwachung von Emissionen.
Nach Einschätzung von Expert:innen hängt der Erfolg entscheidend von einer klaren Strategie der Regierung ab, insbesondere von der Einführung verbindlicher Emissionsquoten für Großunternehmen und einer engen Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Ohne diese Schritte droht der Kohlenstoffmarkt in Tadschikistan eine ungenutzte Chance zu bleiben.
Asia-Plus
Aus dem Russischen von Usmon Rakhmonov
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