Startseite      Gute Miene zum bösen Spiel: Usbekistans Präsident Mirziyoyev zu Besuch in Karakalpakstan

Gute Miene zum bösen Spiel: Usbekistans Präsident Mirziyoyev zu Besuch in Karakalpakstan

Einen Monat vor dem Verfassungsreferendum ist Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev zu einem offiziellen Besuch nach Karakalpakstan gereisr. Dabei versprach er Investitionen sowie den Transfer öffentlicher Gelder in die Autonome Republik. Eine berechnende Reise vor einer für den Präsidenten entscheidenden Abstimmung.

ecollet 

Übersetzt von: Michèle Häfliger

Original (12. April 2023)

Denkmal in Moynaq am Aralsee in Karakalpakstan (Symbolbild)

Einen Monat vor dem Verfassungsreferendum ist Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev zu einem offiziellen Besuch nach Karakalpakstan gereisr. Dabei versprach er Investitionen sowie den Transfer öffentlicher Gelder in die Autonome Republik. Eine berechnende Reise vor einer für den Präsidenten entscheidenden Abstimmung.

„Wir sind ein einziges Land, ein einziges Volk“, erklärte Shavkat Mirziyoyev am 31. März bei seinem offiziellen Besuch in der Autonomen Republik Karakalpakstan im Westen Usbekistans. Nach den mit Gewalt niedergeschlagenen Demonstrationen in Nukus, der Hauptstadt Karakalpakstans, ist die politische Herausforderung für den Präsidenten Usbekistans von entscheidender Bedeutung. Er ruft die Bevölkerung dazu auf, beim Verfassungsreferendum am 30. April erneut wählen zu gehen.

Novastan ist das einzige deutschsprachige Nachrichtenmagazin über Zentralasien. Wir arbeiten auf Vereinsgrundlage und Dank eurer Teilnahme. Wir sind unabhängig und wollen es bleiben, dafür brauchen wir euch! Durch jede noch so kleine Spende helft ihr uns, weiter ein realitätsnahes Bild von Zentralasien zu vermitteln.

Die Abstimmung sollte vor Ende 2022 stattfinden. Doch eine Änderung der Verfassungsreform, die den Autonomiestatus der Republik Karakalpakstan sowie ihr Recht auf Abspaltung vom Rest des Landes aufheben sollte, hatte zu Protesten geführt. Die Regierung hatte den Sicherheitskräften freie Hand für Interventionen gegeben, wodurch insgesamt 21 Menschen getötet und mehrere hundert verletzt wurden. Daher wurde die Abstimmung für das Referendum abgesagt und auf den 30. April 2023 verschoben.

Die neue Verfassungsreform sieht nicht mehr vor, den Autonomiestatus Karakalpakstans aufzuheben, doch die Erinnerung an die gewaltsamen Repressionen bleibt eine Quelle der Spannungen zwischen der lokalen Bevölkerung und Taschkent. Daher der wohlkalkulierte Besuch des Präsidenten, so der karakalpakische Aktivist Aqylbek Muratbay, der derzeit in Almaty, Kasachstan lebt.

Flut von Investitionen

Mirziyoyev kam in der Tat nicht mit leeren Händen. Er besuchte eine Produktionsstätte in der Region Kegejly, eine von sechs, die in die Region verlegt wurden, und kündigte laut der russischen Nachrichtenagentur Fergana die Überweisung von 500 Millionen Sum (entspricht ca. 40 000 Euro) an die Mahallas, die Nachbarschaftsgemeinden, an.

Lest auch auf Novastan: Karakalpakstan: Nichts Neues im „Neuen Usbekistan“

Der Präsident erinnerte auch an die wirtschaftlichen Fortschritte in der Region, wie das usbekische Medium Kun.uz berichtete. Bisher wurden im Jahr 2023 bereits 670 Milliarden Sum (rund 537 Millionen Euro) und 340 Millionen US-Dollar (rund 311 Millionen Euro) bereitgestellt. Die Einkommens- und Umsatzsteuer sowie die Grundsteuer wurden um das Zweifache gesenkt. Außerdem hatte sich die Produktion von Chemikalien, Baumaterialien, Lebensmitteln, Textilien und Arzneimitteln in den letzten Jahren mehr als verdoppelt.

Entscheidende Reform für Mirziyoyev

Am 31. März habe die Kampagne für das Referendum in Taschkent sowie im Rest des Landes begonnen, wie Fergana.News erklärt. Abgeordnete werben in den Mahallas für die Notwendigkeit der Verfassungsreform und preisen die Pläne des Präsidenten für ein „Neues Usbekistan“ an.

Lest auch auf Novastan: Die „Baumwollaffäre“ – Wie der staatliche Plan zur Steigerung der Baumwollproduktion zu einer landesweiten Korruptionsaffäre führte

Für den Präsidenten steht bei diesem Referendum jedoch vor allem die Möglichkeit auf dem Spiel, sich noch ein weiteres Jahrzehnt an der Macht zu halten. Denn die aktuell in der Verfassung festgesetzte fünfjährige Amtszeit wird in eine erneuerbare siebenjährige umgewandelt. Die Anzahl der Amtszeiten des amtierenden Präsidenten, der sich seit 2021 in seiner zweiten Amtszeit befindet, soll ebenfalls auf null zurückgesetzt werden, berichtet Radio Ozodlik. Dies würde Mirziyoyev, seit Ende 2016 im Amt, theoretisch erlauben, bis 2040 an der Macht zu bleiben. Seine derzeitige Amtszeit endet 2026.

Kein Wort über die Opfer der Proteste

Das große Thema der Proteste vom Juli 2022 fand bei Mirziyoyevs Besuch in Karakalpakstan keine Erwähnung. Während in Buchara noch immer Prozesse gegen die Teilnehmenden der Unruhen laufen, erwähnte Mirziyoyev das Schicksal der Verurteilten nicht. In den Prozessen sind derweil noch immer keine Verantwortlichen für den Tod der 21 Menschen gefunden.

Lest auch auf Novastan: Juli-Proteste in Karakalpakstan: Lange Haftstrafen für Demonstrierende

Obwohl der Präsident behauptet, dass „alle Regionen entschlossen sind, zur Entwicklung von Karakalpakstan beizutragen“, sieht die Realität anders aus. Die Autonome Republik ist im Vergleich zu anderen Regionen des Landes stark benachteiligt, wird von den öffentlichen Geldern der Zentralregierung vernachlässigt und ist aufgrund der Austrocknung des Aralsees wirtschaftlich rückständig. Die Proteste im vergangenen Herbst hatten einen wichtigen sozioökonomischen Aspekt, erklärte das usbekische Medium The Hook.

Anhaltende Probleme in der Region

Weniger als ein Jahr später ist der Kern des Problems noch immer derselbe. „Seit dem Amtsantritt Mirziyoyevs hat sich die Wirtschaft in Karakalpakstan strukturell nicht verändert“, erklärt Muratbay. „Es gibt noch immer keine ernsthaften Investitionen und die Eröffnung von mehr oder weniger großen Produktionsstätten in Karakalpakstan. Die gesamte Steigerung des Wohlstands der Bevölkerung beruht auf Subventionen, auch aus den Regionen Usbekistans.“

Pro Einwohner und Einwohnerin Karakalpakstans stehen etwa 100 US-Dollar (91,5 Euro) pro Monat zur Verfügung, was um ein Vielfaches niedriger ist als in der Provinz Navoi und der Hauptstadt Taschkent sowie im Vergleich zum landesweiten Durchschnitt. Die Republik Karakalpakstan unterscheidet sich insofern von anderen Regionen, als zwei Drittel der Quellen für Sozialleistungen aus den nationalen und lokalen Haushalten stammen und das restliche Drittel aus dem außerbudgetären Rentenfonds.

Lust auf Zentralasien in eurer Mailbox? Abonniert unseren kostenlosen wöchentlichen Newsletter mit einem Klick.

In Wahrheit ist diese Patronagepolitik eine Möglichkeit, den lokalen Behörden in Karakalpakstan schrittweise ihre Verwaltungsfunktionen zu entziehen und sie den Regionen Usbekistans zu übertragen. Muratbay spricht von einer „Zerstörung des lokalen Staatsapparats.“

Heute sieht die Regierung den lokalen wirtschaftlichen Aufschwung in der Ausbeutung des an Gold, Uran, Gas und Öl reichen Untergrunds, ohne dass die Bevölkerung und die Region davon profitiert. „Die Karakalpaken sehen große Öl- und Gasprojekte in Karakalpakstan, deren Gewinne vollständig nach Taschkent fließen. Sogar Arbeitsplätze werden oft an Menschen aus anderen Regionen Usbekistans oder gar aus dem Ausland vergeben. Natürlich sind die Karakalpaken verunsichert“, schließt Muratbay.

Emma Collet, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Michèle Häfliger

Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen, schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.

Kommentare (2)

Your comment will be revised by the site if needed.

Aman Sagidullaev, 2023-04-17

Karakalpakstan ist nicht Usbekistan. Karakalpakstan ist keine Autonomie, sondern eine souveräne parlamentarische Republik. Leider betreibt der Präsident Usbekistans eine Besatzungspolitik gegenüber der souveränen Republik Karakalpakstan. Die Karakalpaks haben keine elementaren Rechte. Die Grenze der Republik Karakalpakstan ist in den Händen des usbekischen Militärs. Die Straßen von Karakalpakstan werden von der Nationalgarde Usbekistans patrouilliert. Es gibt eine Repression gegen die Karakalpaks. Heute befinden sich mehr als 100 zivile Aktivisten aus Karakalpakstan in usbekischen Gefängnissen. In Kasachstan sind 5 Aktivisten aus Karakalpakstan auf Ersuchen des Präsidenten von Usbekistan im Gefängnis. Der Präsident Usbekistans ist heute nicht bereit für einen Dialog mit der Bevölkerung der Republik Karakalpakstan. Daher verbietet der Präsident Usbekistans die Aktivitäten der Karakalpak-Parteien auf dem Territorium der Republik Karakalpakstan. Führer und Mitglieder der Partei von Karakalpakstan werden vom Präsidenten Usbekistans ins Exil geschickt. Es gibt eine Jagd und die Vernichtung der Führer der Partei von Karakalpakstan durch die Sonderdienste Usbekistans. Am 12. Januar 2022 wurde der Vorsitzende der Freundschaftspartei Karakalpakstans, Zhumasapar Dadabayev, aus der Türkei nach Usbekistan entführt. Er wurde in Istanbul von der türkischen Militärpolizei festgenommen und rechtswidrig nach Usbekistan überstellt. Hier übergab der Präsident der Türkei unter Verletzung des Völkerrechts und barbarischer Normen Zhumasapar Dadabayev in die Hände des Präsidenten von Usbekistan.

Reply

Aman Sagidullaev, 2023-04-17

Der Präsident Usbekistans, Zhumasapar Dadabayeva, verurteilte ihn zu 12,5 Jahren Gefängnis. Jetzt ist er im Gefängnis von Usbekistan in der Stadt Karshi. Auch die Frau des Oppositionsführers von Karakalpakstan, Aman Sagidullayev, wurde am 20. Januar 2023 auf dem türkischen Flughafen in Istanbul von der türkischen Polizei festgenommen und wollte sie und ihre Tochter illegal nach Usbekistan schicken. Sie sind norwegische Staatsbürger, aber der türkische Präsident wollte sie dem Präsidenten von Usbekistan zum Zerreißen übergeben. Dank Norwegen hat das norwegische Außenministerium sie vor der Verhaftung bewahrt.
Die Gründe für die Verfolgung der Parteiführer von Karakalpakstan und ihrer Familienangehörigen liegen darin, dass der Präsident von Usbekistan und die russischen Unternehmen Gazprom und Lukoil an der Unterschlagung von Geldern aus der Förderung und dem Verkauf von Gas und Öl aus Karakalpak beteiligt sind. Das sind mehrere zehn Milliarden Dollar Geld. Der Präsident von Usbekistan, der gegen die usbekische Verfassung, Artikel 75 und den zwischenstaatlichen Vertrag verstoßen hat, will die Souveränität der Republik Karakalpakstan die Karakalpaks als Volk und die Republik Karakalpakstan als Staat zerstören. Aber die Karakalpaks ergriffen am 1. und 2. Juli 2022 die unzufriedenen Aktionen gegen die Änderung der Verfassung der Republik Karakalpakstan. Dann erschoss das usbekische Militär auf Befehl des Präsidenten von Usbekistan mehr als 250 Karakalpaks und mehr als 400 Karakalpaks erlitten eine Schusswunde, und zwei Tage lang verhaftete das usbekische Militär mehr als 5.000 Karakalpaks. Während ihrer Festnahme wurden sie schwerer Folter ausgesetzt. Einige Karakalpaks starben während der Verhöre, Menschen wurden Arme, Beine und Finger gebrochen. Der Rest, der unter der Folter nicht brach, wurde aus der Republik Karakalpakstan nach Usbekistan gebracht und dort vor Gericht gestellt. Ihnen wurde ein Gefängnis zugewiesen, weil die Karakalpaks zur Verteidigung der Verfassung und der Souveränität der Republik Karakalpakstan von 6 bis 16 Jahren ins Gefängnis kamen. Wir Karakalpaks wollen keine Sklaven des Präsidenten von Usbekistan sein und fordern unser verfassungsmäßiges Recht ein. Wir wollen frei von Sklaverei sein. Wenn Sie Fragen haben, bin ich bereit zu antworten: Aman Sagidullaev +4792804147

Reply