Der sogenannte „Russische Basar“ in Aschgabat ist einer der beliebtesten Handelsplätze der turkmenischen Hauptstadt. Und ein architektonisches Kunstwerk. Die Beschreibung des turkmenischen Online Mediums Orient.tm übersetzen wir mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Die offizielle Geschichte Aschgabats beginnt im Jahr 1881, als eine russische Festung auf einem Hügel am Rande des gleichnamigen turkmenischen Städtchens errichtet wurde. Vor fast 140 Jahren war diese Festung der Ausgangspunkt für die Entwicklung der modernen Stadt. Rund um die Festung endstanden Wohnviertel und schon kurz danach auch ein Basar, der zum lebhaftesten Ort des neues Aschgabats wurde. Dort verkauften Kaufleute aus Nachbarländern, hauptsächlich aus Persien, ihre Waren.
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Vor allem sogenannte Molokaner, also russische Einwanderer, die die Orthodoxie ablehnten, waren für den Handelsweg verantwortlich. Sie gründeten Dörfer in den Vorbergen und in den Bergen von Kopet-Dag , übernahmen die Transportdienste der schnell wachsenden Stadt. So galt der erste Basar schon bald als „russisch“. „Russischer Basar“ heißt er bis heute im urbanen Slang, obwohl das Einkaufszentrum in den vergangen 40 Jahren offiziell als „Gulistan“ bezeichnet wird.
Inspiration aus Italien
Der großflächige überdachte Markt wurde Ende der siebziger Jahre nach einem Projekt des Architekten Wladimir Wysotin aus Aschgabat errichtet. Der Handelsplatz erlangte schnell eine hohe Anerkennung bis weit über die Grenzen Turkmenistans. Für die Gestaltung und Bau dieses einzigartigen Objekts erhielt das Autorenkollektiv den Preis des Ministerrats der UdSSR, damals eine der höchsten Auszeichnungen im Bereich der Architektur.
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Wysotin war in seiner Jugend in der italischen Stadt Turin, wo ihn besonders der futuristische Geist des Palazzo del Lavoro begeisterte. Er ließ sich von einer Reihe von Säulen aus Metallkonsolen inspirieren und verwendete diese Technik in seinem Projekt des Basars von Aschgabat. Das Ergebnis ist keine Kopie, sondern eine Neuinterpretation der Arbeit des Ingenieurs Pierre Luigi Nervi, in der die trockene Konstruktion mit nationaler Symbolik versehen wurde.
Wenn man mit zurückgeworfenem Kopf das Muster der Aussteifungen betrachtet, die das Dach stützen, sieht man, wie die 16 aus der Säule hausragende Konsolenriegel durch Querriegel verstärkt werden und einen achtzackigen Stern bilden. Eine fast zehn Meter lange Konsole aus monolithischem Stahlbeton hängt quasi in der Luft, gestützt durch eine stabilen Säule.
Ein pragmatischer Bau
Zehn dieser riesigen Regenschirme bilden ein gemeinsames Dach über dem Marktplatz, schützen ihn vor der Sonne und dem Niederschlag. Eine solche mutige Lösung wurde vom Chefingenieur des Projekts, Aleksej Below entwickelt. Das Genie der Konstruktion kommt umso mehr zum Vorschein, wenn man bedenkt, dass das Gebäude in der hochseismischen Region errichtet wurde.
Die riesige Betonskulptur auf dem überdachten Marktplatz stellt einen Riesenfenchel dar, den die Turkmenen „Tschascha Dschejrana“ nennen, also „Tasse der Gazelle“. Der Designer dieses Bauwerks ist der berühmte turkmenische Bildhauer Klyç Ýarmamedow, der auch bei anderen herausragenden Wysotin-Gebäuden in Aschgabat mitgewirkt hat. Die Skulptur ist nicht nur eine plastische Form, die die exakte Geometrie der Decke noch weiter unterstreicht; als Maskierung der Kellerkanalisation hat sie auch eine praktische Anwendung.
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Der rechteckige Handelsbereich ist u-förmig und umfasst die Entlade- und Lagerbereiche sowie dem Geschäftsbereich und dem Parkplatz. Außerdem befindet sich vor dem Haupteingang eine Springbrunnenanlage mit kaskadischem Wasserfall. Hier findet man alles, was man auf einem Basar suchen kann, einschließlich Wassermelonen, Zuckermelonen, nationalen Gerichten und vieles mehr.
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Im Laufe der Jahre wurde dieser „russische“ Basar oftmals rekonstruiert, behielt jedoch sein historisches Erscheinungsbild bei. Das Einkaufzentrum Gulistan ist heute einer der beliebtesten Märkte der Einwohner und Gäste der Hauptstadt. Das einzigartige Bauwerk begeistert und erfreut weiterhin viele Besucher Aschgabats.
Aus dem Russischen von Sara Derbishova
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