Der erfahrene Bischkeker Rapper L’Zeep hat vor kurzem sein fünftes Album veröffentlicht. Und er hat noch viel zu erzählen. In Zeiten von schweren Trap-Beats und minimalistischen Texten besticht „Tak goworil Z“ mit seiner reichen Bildsprache und Samples aus Rock und Klassik. Das Ergebnis: 40 Minuten hörenswerter Musik. Unsere Rezension.
Die Bischkeker Rap-Welt hatte das Warten schon fast aufgegeben. Ende August veröffentlichte L’Zeep mit „Tak goworil Z“ („Also sprach Z“) sein fünftes Album. Ein Comeback nach mehreren Jahren Stille für den Rapper Meder Kadyrow, so sein bürgerlicher Name.
Das Vorgängeralbum „Ponedel’niki“ (Montage, 2015), unter dem Pseudonym seines Alter Ego Sham’Bala veröffentlicht, war noch ein düsteres „underground“ Album: „Ich habe es einfach online gestellt ohne es jemandem zu erzählen“, so der Rapper im Gespräch mit Novastan.
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„Tak goworil Z“ ist textuell deutlich positiver gestimmt, und L’Zeeps erstes offiziell vertriebenes Album. Den digitalen Vertrieb übernimmt das kleine Moskauer Label Delodilla Music. Es gab keine große Werbekampagne, aber vor lauter Erwartung verbreitete sich das Album in Windeseile über Soziale Netzwerke.
Kirgisischer Reality Rap
Denn L’Zeep gehört mit seinen 31 Jahren zu den älteren, respektierten Figuren in der kirgisischen Rap-Szene. Zum Rap kam er über die Poesie. Als Kind begann er, Eindrücke aus seiner Umgebung – die Innenhöfe des kaum wohlhabenden Bischkeker Viertels Pischpek – in Gedichten zu verarbeiten. „[Die meisten meiner Nachbarn] lebten sehr bescheiden, viele sogar unter der Armutsgrenze. Die Hälfte von ihnen litten an Alkoholismus. Dementsprechend wurden ihre Kinder auch nicht erzogen, sie führten einen eigenständigen Lebensstil“, erzählt er.
Als Teenager begann L’Zeep seine Texte mit Musik zu versehen, erst nur für seine Freunde, dann auch im Radio. Wie im Track „Okno“ (Fenster): „Mein Heft, das ist alles, was es gibt/ Ein ganz abgeschabter Almanach/ […] Es wiegt zu viel, um es einfach wiederzugeben/ Es liegt auf dem Heft, dann vielleicht auf dem Sample.“ Rap als Spiegel der Realität und Eindrücke des Autors.
Ein großer Teil von L’Zeeps Werk kann daher dem Reality-Rap zugeschrieben werden, jedoch ohne Prahlerei und Gangsta-Allüren. „Wir schreiben Songs über das Leben. Wir können nicht erfinden, dass wir wie Gangster sind oder so etwas“, erklärt er die Namenswahl seines ersten Kollektivs: Tschistaya Prawda (Reine Wahrheit), kurz TschP Family. Später wurde daraus Tschetyre-Pyat‘, also Vier-Fünf, oder auch 45.
In erster Linie Lyrik
Auch „Tak goworil Z“ ist in erster Linie Lyrik „über das Leben“. Der Titel ist eine kaum verdeckte Anspielung an „Also sprach Zarathustra“: „Ich bin Pilger, wie Nietzsches Charakter/ mein Herz befiehlt mir, voranzuschreiten“, so in „Piligrim“, dem bislang erfolgreichsten Stück des Albums, zu dem gerade ein Videoclip gedreht wird. Der volle, geschickt über den Beat springende Text, wie auch die zwischengestellten Tonschnitte aus Filmen, lassen das Album ein wenig Old School klingen. Auch da bleibt L’Zeep, mit seinem erkennbar tiefen Stimmklang, in erster Linie sich selbst treu.
Wie Nietzsches Zarathustra legt L’Zeep wenig Wert auf materielle Güter. Angaben zu vermeintlichem Reichtum oder seinem Erfolg sucht man in seinen Texten vergeblich. „Ich habe einfach andere Werte im Leben. Das war’s. Ich leide nicht daran, wenn mein iPhone kaputt ist oder ich alte Schuhe oder Kleider habe. Es ist mir einfach egal“, erklärt der Rapper, der ein Zitat aus Victor Hugo’s „Der Mann mit dem Lachen“ über den Schaden, den Gold anrichtet, auf dem rechten Unterarm tätowiert hat.
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Er rappe aus innerem Drang, und nicht wegen des Erfolgs, fügt er hinzu. Und unterstreicht das auch in Versen: „Ich brauche das Mic so sehr, wenn ein Feuer in meiner Brust brennt/ Den Hatern der Mittelfinger, meinen Brüdern die Handfläche“, in „Burevestnik“ (Sturmvogel), L’Zeeps Lieblingsstück aus dem Album.
13 nachdenkliche Tracks
„Tak goworil Z“ öffnet mit einer Tonsequenz aus dem Film „Matrix Reloaded“, gerichtet an die, die auf L’Zeeps Comeback warteten: „Wir haben sehr lange nichts von ihm gehört, aber ich bin sicher, dass gerade er weiß, was zu sagen ist“. Eine kurze Stille, dann erklingt eine Hommage an eine der Hymnen der 1990er, ein klar erkennbares Sample aus Nirvana’s „Smells like teen Spirit“.
Es folgen 12 stets nachdenkliche, aber optimistische Stücke, teils durch weitere Sequenzen aus Filmen wie „Fight Club“ oder der Japanischen Serie „Ghost in the Shell“ eingeleitet. Es geht dabei um Freundschaft (Reministsensii), Jugend (Burevestnik), Lebensinhalte (Smerkalos‘, Moi Zwesdy) Liebe und Sehnsucht (Prisutstwye, Ty Ulybaesh‘sja). Die Texte sind durchsetzt von Naturbildern, wie das Feuer („Herzlich willkommen in unserem Zelt/ Wenn du aus der Dunkelheit schaust, brennt hier ein Lagerfeuer“), die Jahreszeiten („Mein Herbst wurde zum Alcatraz“), Naturelemente („Karten auf den Tisch, Bruder/ Zeit ist wie Sand“), bis hin zu den Wolken, die zum Abschluss des Albums „meine Gedanken aus dem Wohnungsfenster [tragen]“.
Für angehende Besucher Kirgistans lässt sich vor allem „Wremya est‘“ hervorheben. Zu dem entspannten Beat braucht man nur noch die Augen zu schließen und sich zu einen Sommerausflug an den Issikkölsee mitnehmen lassen. Dort erwarten einen „die Perle der Berge“ und die „hellblaue Wasseroberfläche“, aber auch „harte Saufereien und blutige Schlägereien“. Egal, „wer hier einmal war, kehrt oft zurück“, denn man gewinnt ein ganz anderes Zeitempfinden: „Single Ladies marschieren vorbei aber Du schaust auf die Tissot/ Ob Du Zeit hast oder keine, glückliche Leute kennen keine Stunden“.
Fazit
Die Beats samplen oft Klassik, fast alle sind das Ergebnis der Zusammenarbeit von L’Zeep mit befreundeten Beatmakern. Die saubere Produktion und musikalische Einheit des Albums sind hingegen das Werk des Bischkeker Tonstudios Biblioteka Rec. Alles in allem ist „Tak goworil Z“ also ein hörenswertes Stück Bischkeker Rap, das nicht nur Old School Nostalgiker und Poesieaffine ansprechen dürfte.
„Tak goworil Z“ kann man auf den meisten Streaming-Plattformen hören, zum Beispiel Deezer, Yandex Music und Youtube.
Florian Coppenrath
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