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Von Krise keine Spur – Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag Turkmenistans

Jedes Jahr wird der Tag der Unabhängigkeit Turkmenistans am 27. Oktober groß gefeiert. Trotz Wirtschaftskrise wurden auch zum 25-jährigen Jubiläum ohne Rücksicht auf Mühen und Kosten diverse Veranstaltungen auf die Beine gestellt.

Die Redaktion 

Turkmenistan Unabhängigkeit 2016
Screenshot aus dem turkmenischen Fernsehen: die Unabhängigkeitsfeiern in Aschgabat.

Jedes Jahr wird der Tag der Unabhängigkeit Turkmenistans am 27. Oktober groß gefeiert. Trotz Wirtschaftskrise wurden auch zum 25-jährigen Jubiläum ohne Rücksicht auf Mühen und Kosten diverse Veranstaltungen auf die Beine gestellt.

Der Vorlauf des Nationalfeiertages war lang. Bereits Monate im Voraus wurden unter Verweis auf den anstehenden 25. Jahrestag der Unabhängigkeit verschiedene Gebäude und Einrichtungen eröffnet, wie zum Beispiel der neue Hauptstadtflughafen für 2,3 Milliarden Dollar. In der Woche vor dem Jubiläum fanden dann sowohl das Forum der „Humanitären Vereinigung der Turkmenen der Welt“ sowie die Konferenz „25. Jahrestag der Unabhängigkeit Turkmenistans: Triumph der Demokratie, der Menschenrechte, des Humanismus und der Gerechtigkeit“ statt. Außerdem erschien das neue Buch von Präsident Gurbanguly Berdymuhammedov „Turkmenistan“ und der Präsident verlieh eine Reihe von Orden.

Nicht zu vergessen die zeitintensiven Proben für die Massenspektakel. Tausende von Teilnehmern – hauptsächlich Studierende und Staatsangestellte – hatten wochenlang für diesen Tag geübt. Bei Paraden und Tänzen sollte jede einzelne Bewegung sitzen. Unterricht und Arbeit waren für einige Zeit zweitrangig.

„Vorwärts, immer nur vorwärts meine geliebte Heimat Turkmenistan!“

Die eigentlichen Feierlichkeiten begannen schließlich am Abend des 26. Oktobers mit einem Konzert im Kongresszentrum in der Hauptstadt Aschgabat. Neben Politikern, turkmenischen und internationalen Diplomaten, sowie den Forumsgästen nahm auch Präsident Gurbanguly Berdymuhammedov teil. Zum krönenden Abschluss sangen die verschiedenen Pop- und Folklore-Musiker gemeinsam das vorgeblich von Berdymuhammedov geschriebene Lied „Vorwärts, immer nur vorwärts meine geliebte Heimat Turkmenistan!“.

Berdimuhamedow Konzert Unabhängigkeit
Präsident Berdimuhamedow beim Konzert anlässlich der 25-jährigen Unabhängigkeit Turkmenistans (Screenshot aus dem turkmenischen Staatsfernsehen).

Früh am nächsten Morgen ging es bereits mit Blumenniederlegungen weiter. Zum Klang der Nationalhymne legte der Präsidenten ein Bouquet vor dem Unabhängigkeitsdenkmal ab. Ihm folgten Vertreter aus Politik und Wirtschaft sowie Leute aus dem Volk, bis unzählige Sträuße und Kränze den Platz vor dem Denkmal bedeckten.

Die nächste Veranstaltung fand im 2015 eröffneten Sportstadion „Aschgabat“ statt und beinhaltete unter anderem Reiterformationen, von Kindern vorgeführte Tänze und Spiele, sowie Sportvorführungen verschiedener Athleten. Wie bei solchen Veranstaltungen üblich saßen neben dem Präsidenten Politiker, Diplomaten und internationale Gäste auf den Zuschauertribünen. Die üblichen Plätze wurden mit Studierenden und Staatsangestellten aufgefüllt, die in farblich auf einander abgestimmter Kleidung Teil der Performance waren und sich zeitweise mit Hilfe bunter hochzuhaltender Karten in fernsehwirksame Schriftzüge und Bilder verwandelten.

Pferd Turkmenistan Unabhängigkeit
Pferdedressur zur Unabhängigkeitsfeier Turkmenistans.

Später gab es im Stadtzentrum auf dem Platz vor dem Präsidentenpalast schier endlose Paraden und Tanzvorführungen. Unterstützt von geschmückten Wagen wurden verschiedene Themen wie Wasser, moderne, turkmenische Architektur oder der Gasreichtum des Landes dargestellt. Neben den Wagen defilierten Angehörige der entsprechenden Berufsgruppen wie Bauarbeiter oder im Gassektor Beschäftigte.

Eine Moderatorin sagte jede Gruppe an und stimmte das Lob auf diese, das Heimatland und den Präsidenten an: „Shokhrat arkadag!“ – Ehre dem Beschützer (Ehrentitel Berdymuhammedovs). Was von den übrigen Teilnehmern mit „Shohrat, shohrat, shohrat“ skandierend beantwortet wurde. So auch bei der Militär- und Polizeiparade inklusive Formationen von Hubschraubern und Flugzeugen.

Für seine so geliebten Ahal Teke-Pferde verließ Berdymuhammedov schließlich sogar seinen Ehrenplatz. Der Präsident tätschelte eines der Pferde und schwang sich sodann elegant in den Sattel, um kleine Runde zu reiten und das Pferd ein Kunststück vorführen zu lassen.

Zum Abschluss der Feierlichkeiten gab es am Abend ein weiteres Konzert und ein Feuerwerk.

Zusätzlich zu diesem straffen Festtagsprogramm soll Präsident Berdymuhammedov noch Zeit für eine Ministerkabinettssitzung und diverse Audienzen und Unterredungen gefunden haben. Zum Beispiel mit dem türkischen Präsidenten Erdogan und Ministerpräsident Yildirim, die ebenfalls an den Feierlichkeiten teilnahmen.

Das restliche Publikum und die Darsteller dürften solange gewartet haben. Es ist üblich, dass alle Teilnehmer solcher Massenspektakel Stunden vor Veranstaltungsbeginn ihre Plätze einzunehmen haben, während der Präsident viel zu spät kommt. Während der gesamten Dauer der Veranstaltungen ist es verboten zu essen, trinken oder zur Toilette zu gehen.

Harte Arbeit statt Feiertag

So kommt es, dass die Massenspektakel zwar schöne Fernsehbilder mit lachenden Menschen produzieren, die Veranstaltungen beim Volk aber recht unbeliebt sind. Für viele sind die Festlichkeiten keine Feiertage sondern harte Arbeit. Offiziell wird niemand zur Teilnahme gezwungen, doch es drohen empfindliche Strafen, wie Abmahnung oder Entlassung. Studenten und Schüler werden mitunter mit guten Noten für ihre Teilnahme belohnt.

Gasarbeiter bei den Feiern zur 25-jährigen Jubiläum der turkmenischen Unabhängigkeit.
Gasarbeiter bei den Feiern zur 25-jährigen Jubiläum der turkmenischen Unabhängigkeit.

Wenn sich nun Erleichterung breit macht, dürfte das nicht nur an der wieder gewonnen Freizeit der Teilnehmer liegen. Im Vorfeld des Feiertages wurde das Internet gedrosselt und ein Abkommen mit Kasachstan über erleichterten Grenzübertritt außer Kraft gesetzt. Etliche Familien verloren dadurch eine wichtige Einnahmequelle – den Grenzhandel. Zudem hatten sich in den letzten Wochen Berichte über Menschenrechtsverletzungen gehäuft. Im Namen der Sicherheit wurden Polizeikontrollen ausgebaut und Repressionen gegen zivilgesellschaftliche Aktivisten und Journalisten verstärkt. Auch wurden die vor Feiertagen üblichen Säuberungsmaßnahmen durchgeführt, bei denen als asozial und unschicklich angesehene Bürger, etwa Obdachlose, Prostituierte oder Alkoholiker, inhaftiert und oft in eine Entzugsklinik gesperrt werden, auch wenn sie gar kein Suchtproblem haben. Angesichts dessen wirkt der Titel der Konferenz „25. Jahrestag der Unabhängigkeit Turkmenistans: Triumph der Menschenrechte, der Demokratie, des Humanismus und der Gerechtigkeit“ wie blanker Hohn.

Rukhiyet Palast Aschgabat Unabhängigkeit
Blick auf die Feierlichkeiten vor dem Rukhiyet-Palast in Aschgabat.

Für die Masse der Turkmenen, die nicht ins Visier der Behörden geraten ist, geht nach den Feierlichkeiten der Wahnsinn des Alltags weiter. Denn 25 Jahre nach der Unabhängigkeit ist die Situation im Land keineswegs so rosig wie vom Präsident ins seiner Festtagsrede dargestellt. Das Land befindet sich auf grund der gefallenen Gaspreise in einer schweren Wirtschaftskrise und musste bereits zahlreiche Vergünstigungen für die Bevölkerung abschaffen.

Trotzdem steckt der Staat weiterhin Milliarden in Prestigeprojekte und Imagepolitur, und spart dafür an den Gehältern, die einfach nicht ausgezahlt oder auf Bankkonten überwiesen werden, von wo sie wegen Bargeldmangels nicht abgehoben werden können. Zudem sind in den Läden die Produkte knapp. Neben Luxusartikeln wie Zigaretten ist es mittlerweile auch schwerer, Grundnahrungsmittel wie subventioniertes turkmenisches Mehl und Zucker zu bekommen. Die Preise steigen und Schlangestehen wird zur Normalität. Das Fernsehen freilich zeigt nicht diese Bilder sonder tanzende Massen, die Heimat und Arkadag preisen.

Die Redaktion

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