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Karakols soziales Café

Am Ostufer des Issyk Kul hat ein besonderes Café mit einer ungewöhnlichen Besitzerin eröffnet. Ziel des Fat Cat Karakol ist es nicht nur, Kaffee und Essen zu verkaufen, es hat auch den Anspruch Karakols erstes sozial verantwortliches Unternehmen zu sein. Folgender Artikel ist im Russischen auf eurasianet.org erschienen.

alexandraw 

Karakol Issyk-Kul Kirgistan Sozial Café
Das Fat Cat in Karakol

Am Ostufer des Issyk Kul hat ein besonderes Café mit einer ungewöhnlichen Besitzerin eröffnet. Ziel des Fat Cat Karakol ist es nicht nur, Kaffee und Essen zu verkaufen, es hat auch den Anspruch Karakols erstes sozial verantwortliches Unternehmen zu sein. Folgender Artikel ist im Russischen auf eurasianet.org erschienen.

Am frühen Sommermorgen beginnen die Besucher, sich im Schatten vor dem Fat Cat Karakol zu sammeln. Zum Mittag wird die Sonne hoch stehen, aber noch ist es früh, und laut. Das Café geht auf eine belebte Straße raus. Dzhamilya Sydygalieva geht rasch zu einem Tisch, an dem zwei Männer mit T-Shirts des World Wildlife Fund sitzen. Sie bestellen Cheesecake mit Beerenkompott. Ein ungewöhnliches Frühstück hierzulande – aber ebenso ungewöhnlich ist das Café, dessen Motto lautet: „Kaffee, Essen und soziale Verantwortung.“

Nach zentralasiatischen Maßstäben ist Kirgistan ein progressives Land. Doch mit ihrem Café, das im August letzten Jahres am östlichen Ufer des Issyk-Kuls eröffnete, setzt Sydygalieva noch ein gutes Stück drauf. Sie sieht in ihrem Café einen Motor für soziale Bewegung und Verantwortung. „Die Idee des Cafés besteht nicht nur darin, Touristen zu bedienen und kommerziell zu funktionieren. Es soll auch als Vorbild für Unternehmensgründungen dienen“, so Sydygalieva, „Wir versuchen, Karakol mit dem Konzept sozialer Verantwortung vertraut zu machen, damit sich auch anderer lokale Unternehmen sozial engagieren und gesellschaftlich wichtige Arbeit leisten.“

Das bunte Bischkek als Vorbild

In der Hauptstadt Bischkek verbreiten sich solch neue Geschäftskonzepte immer mehr: Ungewöhnliche Cafés, Bars mit Craft Beer, Läden, die qualitativ hochwertige Lebensmittel verkaufen. Aber Karakol hinkt in dieser Hinsicht hinterher. Sydygalieva sieht es als ihre Pflicht, dem ein Ende zu bereiten und der lokalen Gemeinde und den benachbarten Dörfern zu zeigen, dass sie nicht vergessen wurden. „Ich wollte die Leute daran erinnern, was am wichtigsten ist. Wichtig sind Mitgefühl und Fürsorge für andere Menschen, selbst wenn sie dir fremd sind. Wichtig ist es, hilfsbereit zu sein und das zu teilen, was du hast“, sagt Sydygalieva, „Letzten Endes sind Güte und gute Taten das, was wir hinterlassen, und das sind wahre Werte.“

Die Besucher ihres Cafés sind eine Mischung aus Einheimischen, Bergsteigern und Touristen. Auch viele “Peace Corps“-Freiwillige kommen laut Sydygalieva vorbei, und insgesamt wird ihr Café unter immer mehr Leuten bekannt. Auf der Speisekarte gibt es viele Gerichte, die man in Kirgistan nicht oft sieht: Fleisch in würziger mexikanischer Soße mit Paprika und Bohnen, Bananenbrot, gegrillter Käse, French Toast, in Milch und Eiern angebraten (der, ihr zufolge, zu jeder Tageszeit weggeht). Aber das Hauptprodukt ist Kaffee – auch wenn dieses Getränk laut Sydygalieva traditionell nicht besonders beliebt ist bei der örtlichen Bevölkerung. Sie stellt jedoch fest, dass sich die Geschmäcker nach und nach zu ändern beginnen. „Neben den Touristen und ausländischen Expats beginnen auch viele Einheimische Kaffee zu mögen“, so Sydygalieva, „Mir gefällt es zu beobachten, wie die Kaffeekultur in Karakol allmählich aufblüht.“

Der soziale Aspekt

In den Pausen zwischen dem Aufnehmen von Bestellungen bei den Gästen und dem Kaffeekochen schafft Sydygalieva es, in die Küche zu huschen, wo sie ihrer einzigen Mitarbeiterin beibringt wie man Pizza bäckt. In dem kleinen Raum ist es nicht möglich sich umzudrehen. Die junge Frau rollt den Teig aus, während Sydygalieva Käse reibt und Gemüse schneidet. Sie ist Opfer häuslicher Gewalt. Dieses Problem ist sehr verbreitet und war einer der Faktoren, die Sydygalieva inspirierten ihr Café zu eröffnen. „Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der häusliche Gewalt als normal galt“, so Sydygalieva. Ihr Vater misshandelte die anderen Familienmitglieder physisch und psychisch.

Als Sydygalieva 19 Jahre alt war, verließ der Vater die Familie und gab Mutter und Tochter die Möglichkeit, ein neues Leben zu beginnen. Sydygalieva ging zum Studium an die American University of Central Asia in Bischkek und absolvierte dann ihr Masterstudium in Deutschland. Ihre Mutter fand ihre Berufung indem sie „Arjun-Karakol“ gründete, eines von nur zwei Zentren in der Region für Opfer häuslicher Gewalt. Obwohl Sydygalieva gut in einem der entwickelten Länder Europas hätte arbeiten können, beschloss sie, nach Karakol zurückzukehren, um ihrer Mutter mit ihrem Zentrum zu helfen. Deutschland gefiel ihr sehr, aber – wie sie sagt – es war nicht wie die Heimat. Die Zeit, die sie im Ausland verbrachte, öffnete ihr aber die Augen auf einige Dinge. „In Deutschland ist soziale Verantwortung die Norm. Hier werden Hilfe für andere und Mitgefühl wenig wertgeschätzt, und ich wollte das ändern“, meint Sydygalieva.

Das Außergewöhnliche etablieren

In dem einen Jahr seit seiner Eröffnung hat das Fat Cat Karakol bereits eine Reihe von gemeinnützigen Initiativen unterstützt: Etwa ein Konditorei-Lehrgang für Frauen im Zentrum für Opfer häuslicher Gewalt oder eine Sammlung von Schulmaterialien für benachteiligte Familien in den Dörfern. Um Geld für solche Projekte zu sammeln, verkauft Sydygalieva zusätzliche Backwaren: Apfelkuchen, „Drei-Milchkuchen“, „Red Velvet Cake“. Alles neue Rezepte und Zutaten für Karakol, so ungewöhnlich wie das Café selbst. An der Wand hinter der Theke im Far Cat Karakol hängen Kaffeetassen mit Aufschriften wie „Zur Hölle, gieß mir noch eine Tasse ein“. Alle Erlöse aus dem Verkauf gehen an soziale Projekte.

Aber Sydygalieva machen nicht nur die lokalen Geschmäcker zu schaffen. Die Arbeit in dieser Gegend ist oft saisonal geprägt, aufgrund der sehr kalten Winter. Dennoch arbeitet Sydygalieva weiter, trotz der Schwierigkeiten. „Manchmal fühle ich mich wie ein Prediger wenn ich davon rede, dass nicht nur ich, sondern auch sie ihrer Gemeinde helfen können, um andere für ähnliche Initiativen begeistern können“, erzählt sie, „Im Lauf der Zeit erfahren immer mehr Menschen vom Fat Cat Karakol, über das Konzept und die Ziele des Cafés. Und immer mehr Einheimische sind bereit zu helfen, auch wenn es nur ein kleines bisschen ist.“

Soziale Initiative goes viral

Kurz nach der Eröffnung des Cafés rief ein örtlicher Beamter an. „Er sagte mir: Ich will helfen, aber ich weiß nicht wie“, erinnert sie sich. Sydygalieva versorgte ihn mit den Kontaktdaten derer, die Hilfe benötigten. Auch die lokalen Unternehmen haben sich vom Aktivismus anstecken lassen. Vor Neujahr tat sich Sydygalieva mit drei örtlichen Tourismuszentren, einem Schönheitssalon und einem Taxiunternehmen zusammen. Gemeinsam sammelten sie Geld für Geschenke und ein Fest für Waisen und behinderte Kinder, außerdem Lebensmittel für sozial schwache Familien sowie Kosmetikartikel für ein psycho-neurologisches Zentrum in einem benachbarten Dorf. Neben dem Verkauf von Backwaren sucht Sydygalieva auch andere Wege, um Geld zu sammeln. So trat sie zum Beispiel bereits im Radio auf.

Auf der Facebook Seite des Cafés finden sich viele Hinweise, wie den Menschen in der Region geholfen werden kann. Auch Veranstaltungen für Einheimische oder Initiativen wie die „Freundlichkeitswochen“ oder der Weltfrauentag am 8. März werden angekündigt. Der Verkauf von Backwaren läuft ständig. Auch eine Crowdfunding Kampagne wurde gestartet, um Geld für ein Mädchen mit spinaler Muskelatrophie zu sammeln, da das örtliche Rehabilitationszentrum „Ornok“ nicht über die nötige Ausstattung verfügte.

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„Das ist Fundraising auf Gemeinschaftsebene. Alles geht langsam, manchmal ärgere ich mich darüber, aber wir schaffen ein Bewusstsein für die Bedürftigen in unserer Gemeinde und dafür, wie wir ihnen helfen können“, so Sydygalieva, „Die Mission des Cafés ist es nicht nur, selbst Gutes zu tun, sondern auch andere dazu zu bewegen.“

Alexandra Petri auf eurasianet.org  

Aus dem Russischen von Alexandra Wedl

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